Repräsentation von Kleinstaaten: Deutscher Bund, Paulskirche, Mediatisierung
Andere wollten, dass Staaten mit weniger als 500 000 Einwohnern — das
winzige Liechtenstein zählte als kleinster knapp 7000 — sich freiwillig
grösseren Nachbarn anschlössen.? Wieder andere wollten Staaten unter
500 000 Einwohnern per Verfassung für «reichsunmittelbar» erklären
und damit direkt unter die Reichsautorität stellen. Desgleichen sollten
per Reichsgesetz weitere Staaten «aus Gründen des öffentlichen Wohls
oder wegen Nichterfüllung reichsgesetzlicher Pflichten» für reichsun-
mittelbar erklärt werden können.? Dadurch würden solche reichsun-
mittelbare Territorien Reichsland — was begrifflich zwar Reichs-Imme-
diatisierung, faktisch aber Mediatisierung nach oben gewesen wire.
Wie wollte man bei all dem vorgehen? Viele wünschten Zwang, an-
dere wenigstens drángende Forderung durch die Reichsorgane, manche
nur ermunternde Vermittlung, und wieder andere pládierten für Freiwil-
ligkeit bezüglich jeder vólkerrechtlichen Veränderung bei Kleinen. Zur
Illustration seien nachstehend einige Ausschnitte aus Voten von Abge-
ordneten in der Paulskirche zu den kleinen Staaten vom 4. und 5. De-
zember 1848 vorgelegt. Die Votanten waren Rechtswissenschafter, da-
mals teils führend in Deutschland.
Schon beim Entwerfen und Beraten der Artikel I und II des Teils
«Reichstag» der Reichsverfassung zeigten sich die Schwierigkeiten. Arti-
kel I besagte, der Reichstag werde aus zwei Häusern gebildet, nämlich
«Staatenhaus» und «Volkshaus». Artikel II sollte in 38 Paragraphen die
Zusammensetzung des Staatenhauses, in dem die Vertreter der deutschen
Staaten sássen, regeln. Im Entwurf des Verfassungsausschusses waren für
die Vertretung im Staatenhaus 31 Staaten mit 176 Staatenvertretern vor-
gesehen. Die Zahl der Staatenvertreter war nach Grösse des einzelnen
Staates abgestuft, so sollte Preussen 40 Mitglieder erhalten. Die Kleinsten
waren zusammengefasst, so erhielten Waldeck, Schaumburg-Lippe und
Lippe-Detmold zusammen einen Staatenvertreter. Das noch kleinere
Liechtenstein aber sollte keinen eigenen Vertreter im Staatenhaus erhal-
ten, da hiess es lapidar: «Oesterreich mit Lichtenstein 36 Mitglieder»?
Berichterstatter des Paulskirchen-Verfassungsausschusses war
der berühmte Göttinger Professor Friedrich Christoph Dahlmann.
In seinem der Paulskirche zur Debatte vom 4. Dezember 1848 vorlie-
22 Ebenda, Bd. 4, S. 2748, 19. Okt. 1848.
23 Ebenda, Bd. 5, S. 3825, 4. Dezember 1848.
24 Ebenda, Bd. 5, S. 3799-3802, 4. Dez. 1848
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