Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Peter Geiger 
kursierten damals schon Gerüchte, dem notorisch als preussenfeindlich 
bekannten Kuriengesandten Strauss seien Versprechungen Österreichs 
gemacht worden. Solche bestätigen sich teilweise aus den Akten.!5 Der 
österreichische Gesandte Aloys von Kübeck hatte Strauss im Vorfeld 
«eine Anerkennung seitens der kaiserlichen Regierung» in Aussicht ge- 
stellt, wenn er ihm die Stimme der 16. Kurie zuführe, und Kübeck bean- 
tragte am Tag nach der fatalen Abstimmung am Wiener Hof für Strauss 
wie für Linde eine «Allerhôchste Auszeichnung».!6 
Bismarck aber, der preussische Ministerpräsident, argumentierte 
eine Woche nach der Abstimmung - der Krieg war im Gange - in zwei 
Zirkularnoten vom 21. und 22. Juni 1866 an die preussischen Gesandten 
im Ausland zuhanden der europäischen Mächte und der Presse anders: 
Von den sechs Staaten, welche noch die 16. Kurie gebildet hatten, hätten 
nur zwei für den österreichischen Antrag instruiert, nämlich Liechten- 
stein, «peuplé de 6000 ämes», und Reuss älterer Linie, daher hätte 
Strauss die Kurienstimme gegen Bundesexekution abgeben müssen. 
Hier hátten sich «/a décadence ..., l'esprit de parti, les intrigues et la cor- 
vuption» gezeigt, welche die Organe des Bundes seit langem geprágt hát- 
ten. Zum Votum der 16. Kurie folgerte Bismarck: 
« Ce vote par conséquent est un faux manifeste, et ce faux manifeste 
a déterminé la résolution fédérale du 14.» 
Ziehen wir ein Fazit zum Kurienvotum 1866: Hätte Liechtenstein, das 
kleinste Bundesglied, nicht fr Bundesexekution instruiert, so hätte 
Strauss das 16. Kuriatvotum nicht für die Exekution zurechtbiegen kón- 
nen. Aber selbst wenn die 16. Kurie gegen die Exekution gestimmt hätte, 
wäre es in der Bundesversammlung immer noch 8:6 für Exekution ge- 
15 Geiger, Geschichte, S. 375-381. 
16  Frh. Aloys von Kübeck an den ósterr. Aussenminister Alexander Graf von Mens- 
dorff, 15. Tuni 1866, Osterreichisches Staatsarchiv, Haus- Hof- und Staatsarchiv, 
P. A. I1 72, Frankfurt Berichte 1866 V-VI, Nr. 65 B. — Geiger, Geschichte, S. 378— 
380. 
17 Zirkularnote des preussischen Ministerprisidenten Bismarck an die preussischen 
Gesandten im Ausland, 22. Juni 1866, in: Das Staatsarchiv, Sammlung der officiellen 
Actenstücke zur Geschichte der Gegenwart, hg. v. Ludwig Karl Aegidi und Alfred 
Klauhold, Bd. XI, 1866 Juli bis December, Hamburg 1866, Nr. 2345, S. 141 {; eine 
ähnliche Zirkularnote Bismarcks vom 21. Juni 1866 ebda., Nr. 2344, S. 140 £. - Gei- 
ger, Geschichte, S. 380 f. 
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