Föderale Bürgerschaft
Römischen Reich.!® Diese Pluralität ist auch für freiwillige föderale Staa-
tenzusammenschlüsse regelmässig charakterisusch." Sie ist dort aber
eine spezifische und beruht auf der untrennbaren Verknüpfung der
Staatsangehorigkeit der Gliedstaaten mit der gemeinsamen Bundesange-
hórigkeit. Jeder Bürger eines Gliedstaats des Bundes ist zugleich auch
Bürger des Bundes selbst. !8
Diese Verknüpfung, die sich heute wiederum in der Europäischen
Union findet, lässt sich entwicklungsgeschichtlich zwanglos erklären.
Gehen Staaten miteinander eine föderative Verbindung ein, so können
sie ihre jeweiligen Staatsangehörigen nicht länger dem allgemeinen
Fremdenrecht unterwerfen und fortfahren, sie so zu behandeln wie Aus-
länder aus beliebigen Drittstaaten. Sie werden sie also wechselseitig pri-
vilegieren, ihnen etwa bestimmte Aufenthaltsrechte gewähren und in be-
stimmtem Umfang die Gleichbehandlung mit den eigenen Bürgern zusi-
chern. Schon die traditionellen Staatenbünde, die noch auf einen ver-
gleichsweise lockeren Zusammenschluss der beteiligten Staaten abziel-
ten, kannten derartige Gewährleistungen, am umfangreichsten in Artikel
IV der nordamerikanischen Konföderationsartikel von 1777/81.'® Durch
dieses Rechtebündel waren die föderierten Staaten füreinander nicht län-
ger Ausland, sondern in ihrem internen Verhältnis entfiel in gewissem
Mass die Unterscheidung zwischen «Innen» und «Aussen». Die beteilig-
ten Staaten sahen ihre Bürger wechselseitig nicht länger als Ausländer,
sondern verliehen ihnen einen stärkeren gemeinsamen Status, der sie der
Rechtsstellung der jeweiligen Staatsangehörigen annäherte. Ein Bürger
von Massachusetts konnte sich in Virginia niederlassen und dort eine
weitgehende Gleichbehandlung mit den Einheimischen verlangen, und
Gleiches galt umgekehrt für den Bürger von Virginia, der nach Massa-
16 Grundlegend dazu Yan Thomas, «Origine» et «Commune Patrie». Étude de droit
public romain (89 av. J.-C. — 212 ap. J.-C.), 1996.
17 Vgl allgemein: Olivier Beaud, The Question of Nationality within a Federation: A
Neglected Issue of Nationality Law, in: Randall Hansen / Patrick Weil (Hrsg.), Dual
Nationality, Social Rights and Federal Citizenship in the U.S. and Europe, 1992, S.
314 ff.; Vicky C. Jackson, Citizenship and Federalism, in: T. Alexander Aleinikoff/
Douglas Klusmeyer (Hrsg.), Citizenship Today. Global Perspectives and Practices,
2002, S. 127 ff.
18 Niher Schónberger, Unionsbürger (Fn. 10), S. 166 ff.
19 Dazu náher James H. Keuner, The Development of American Citizenship 1608-
1870, 1978, S. 220 ff., und der Beitrag von Oliver Diggelmann in diesem Band.
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