Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Rechtsetzung und Vollzug des Bundesrechts 
grösser die Schwierigkeiten bei der Gewährleistung eines gleichmässigen 
Verwaltungsvollzugs sind, desto stärker wird der Druck in Richtung ei- 
ner europäischen Zentralisierung nicht nur von Gesetzgebungskompe- 
tenzen, sondern auch des entsprechenden Vollzugs. Die zunehmende 
Tendenz zur Schaffung von Vollzugsinstanzen auf europäischer Ebene 
(«agencyfication») kônnte Vorbote einer solchen Entwicklung sein. 
4. Zur bundesstaatlichen «Ungleichheitstoleranz» 
und zur Aufgabe der Rechtsetzung 
Die vorstehenden Überlegungen haben deutlich gemacht, dass die tradi- 
uonelle vollzugsfoderalistische Devise (vgl. vorne 3.1.) besser wie folgt 
formuliert werden sollte: «Die Gesetzgebung und eine angemessene 
Aufsicht dem Bund, der Vollzug den Gliedstaaten.» Der Blick in die Pra- 
xis des Bundesrechtsvollzugs zeigt im Weiteren, dass in Bundesstaaten 
wie Deutschland, Osterreich oder der Schweiz das vollzugsfôderalisti- 
sche Modell (indirekter Vollzug) nicht rein verwirklicht ist. Auch das 
Modell des direkten Vollzugs kommt zur Anwendung. 
Insgesamt prägen mannigfache Verflechtungen das Bild. Man kann 
dabei unterscheiden zwischen 
— . Verflechtungen ersten Grades im Bereich der Rechtsetzung (vgl. 
vorne Ziffer 2.); und 
—  Vertlechtungen zweiten Grades im Zusammenhang mit dem Voll- 
zug des gesetzten Rechts, bedingt durch das System des Vollzugs- 
fôderalismus mit seinen Implikationen im Bereich der Einwirkun- 
gen bzw. der Aufsicht (vgl. vorne Ziffer 3.). 
In der EU verhalten sich die Dinge ähnlich. Vergleichbare Vollzugs- 
strukturen führen zu strukturell vergleichbaren Fragestellungen (und 
Lósungsansátzen). Wie soll die richtige und gleichmàássige administrative 
Rechtsverwirklichung gewáhrleistet werden? Was soll bzw. darf die von 
der oberen Ebene geübte Aufsicht? Wann darf, wann soll sie interve- 
nieren? 
Man sollte aber auch, in etwas veránderter Perspektive, fragen: Wie 
viel Aufwand will man (soll man) betreiben, um eine gleichmissige An- 
wendung des Bundesrechts zu erreichen? Wie viel Ungleichheit darf 
man (soll man) akzeptieren? Wie viel Ungleichheit impliziert das Sys- 
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