Rechtsetzung und Vollzug des Bundesrechts
— Im System des indirekten Vollzugs ist die Bestellung der zuständi-
gen Behörden (Personalentscheide) typischerweise Sache der
Gliedstaaten.
Insgesamt bewirkt der gliedstaatliche Vollzug eine nicht zu unterschät-
zende faktische Begrenzung bundesstaatlicher Macht. Die Rechtsver-
wirklichung wird gleichsam «föderalistisch gebrochen». Der Schweizer
Politologe Raimund Germann hat in diesem Zusammenhang von der
«Zähmung des Bundes» im «konföderalen Verbundsystem» gesprochen
(dies übrigens bereits im Jahr 1986, d.h. bevor Begriffe wie «Staatenver-
bund» oder «Verbundsystem» im EU-Kontext heimisch wurden).? Der
indirekte Vollzug «nagt» an der Souveränität des Bundes.
Nicht unterschätzen sollte man die «Kehrseite» der Medaille: Den
Bürgerinnen und Bürgern tritt die gliedstaatliche Verwaltung gegenüber.
Ihr wird das staatliche Handeln (und die Verantwortung dafür) in erster
Linie zugeschrieben. Ob den Bürgerinnen und Bürgern immer klar ist,
dass bzw. in welchem Ausmass das lokale Verwaltungshandeln durch
Bundesrecht (Unionsrecht) veranlasst und bestimmt wird, ist fraglich.
Die Entscheidung für den Modus des indirekten Vollzugs prägt die
Wahrnehmung des Staates und das Bild der Verwaltung.? Die Wahl des
Vollzugsmodus bleibt für bedeutsame Facetten moderner Staatlichkeit
wie Akzeptanz oder Identitátsbildung nicht ohne Folgen.
3.2. Probleme der Rechtsverwirklichung
im «vollzugsfóderalistischen» Modell
Gerade weil das Modell des «Vollzugsfóderalismus» sich ungebrochener
Beliebtheit erfreut, dürfen die mittelbaren Folgen und môgliche Schat-
tenseiten dieses Ansatzes nicht aus den Augen verloren werden. Häufig
genannte (und durch historische Beispiele belegte) Problempunkte sind
22 Raimund E. Germann, Die Beziehungen zwischen Bund und Kantonen im Verwal-
tungsbereich, in: ders. / Ernest Weibel (Hrsg.), Handbuch Politisches System der
Schweiz, Band 3: Fóderalismus, Bern/Stuttgart 1986, S. 343 ff., 360 f.
23 . Vgl Giovanni Biaggini, Grundverstándnisse von «Staat» und «Verwaltung», in: Ar-
min von Bogdandy / Sabino Cassese/ Peter M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publi-
cum Europaeum (IPE), Band III, Heidelberg 2010, $ 53.
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