Rechtsetzung und Vollzug des Bundesrechts
des Bundes von vornherein als blosse Rahmen- oder Grundsatzkompe-
tenz gefasst ist, sei dies, weil der Bund seine Gesetzgebungskompetenz
nicht voll ausschöpft. Entsprechendes findet man in der EU: Die Euro-
päische Gesetzgebung muss den Mitgliedstaaten vielfach Spielráume be-
lassen, sei es, weil die EU nur über eine Harmonisierungskompetenz
verfügt, sei es, weil die EU aus Gründen der Subsidiaritát von einer um-
fassenden Regelung absehen muss.
c) Mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren (Bundesebene) zeigen
die durch Zusammenschluss entstandenen Bundesstaaten recht grosse
Unterschiede. Die gliedstaatliche Ebene ist zwar typischerweise in der
einen oder anderen Weise an der Entstehung der Bundesgesertze beteiligt.
Doch die Beteiligungsformen variieren stark. So haben in Deutschland
die Lánder-Exekutiven eine starke Stellung (Bundesrat). Im «Senatsmo-
dell», wie es die USA und die Schweiz kennen, verfügen die gliedstaatli-
chen Exekutiven dagegen über vergleichsweise begrenzte Gestaltungs-
möglichkeiten und Chancen der Einflussnahme.? In der EU spielt mit
dem Ministerrat ein stark von nationalen Interessen geprägtes Organ
eine Schlüsselrolle im Gesetzgebungsprozess. Ein langjähriges Kennzei-
chen der EU war sodann das Fehlen eines einheitlichen Gesetzgebungs-
verfahrens (Nebeneinander verschiedener Verfahrenstypen, die je nach
Materie zur Anwendung kommen). Der Vertrag von Lissabon hat hier
eine gewisse Konzentration herbeigeführt (Verfahren der Mitentschei-
dung als ordentliches Gesetzgebungsverfahren; Art. 289 i. V. m. Art. 294
AEUV).
Man kann an dieser Stelle als Grobbefund festhalten: Je weiter man in
der Abfolge dieser Grundfragen (a.-c.) voranschreitet, desto grôsser sind
die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen.
9 Vgl. z. B. Jórg Annaheim, Die Gliedstaaten im amerikanischen Bundesstaat: Institu-
tionen und Prozesse gliedstaatlicher Interessenwahrung in den Vereinigten Staaten
von Amerika, Diss. Basel 1990, insbes. S. 218 ff., S. 241 f£; Pierre Tschannen, Staats-
recht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl, Bern 2011, S. 337 ff.
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