Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Rechtsetzung und Vollzug des Bundesrechts 
nach in weiten Teilen Verwaltungsrecht. Es hat sich schon in den Grün- 
dungsjahren eingebürgert, die EWG (später EG, heute EU) als «Ge- 
meinschaft des Rechts» oder «Rechtsgemeinschaft» zu bezeichnen.$ Der 
Sache nach ist die EU nicht zuletzt eine Verwaltungsrechtsgemeinschaft. 
Im Folgenden wird zunächst in knapper Form auf einige Fragen 
der Rechtsetzung — hier (vereinfachend) verstanden als Erlass gesetzli- 
cher Vorschriften — eingegangen (2.), sodann auf einige organisatorische 
Grundfragen des Vollzugs von Bundesrecht — hier (vereinfachend) ver- 
standen als verwaltungsmässige Umsetzung der generell-abstrakten Vor- 
gaben der Bundesgesetzgebung.” Dabei werden jeweils summarische 
Hinweise auf Parallelen und Unterschiede zur Situation in der EU ge- 
geben (3.). Einige Überlegungen zu den Wechselwirkungen zwischen 
Rechtsetzung und Verwaltungsvollzug und zur Frage der «Ungleich- 
heitstoleranz» im Bundesstaat runden den Beitrag ab (4.). 
Vorweg sei noch klargestellt: Wenn im Folgenden die Ähnlichkei- 
ten zwischen der EU und einem Bundesstaat im Bereich des Verwal- 
tungsvollzugs betont wird, so ist damit nicht gemeint, dass die EU ein 
(verkappter) Bundesstaat sei oder sich auf dem Weg dazu befinde. Die 
folgenden Ausführungen sollen vielmehr deutlich machen, dass es sinn- 
voll und ertragreich ist, die Vollzugsstrukturen in der EU und in Bun- 
desstaaten vergleichend zu untersuchen. Die zahlreichen Parallelen sind 
im Übrigen nicht zufällig: Vergleichbare Problemstellungen legen ähn- 
liche Lösungsansätze nahe. Eine vergleichende Analyse, so darf man 
hoffen, führt nicht nur zu einem besseren Verständnis der EU und der 
bedeutsamen verwaltungsmässigen Dimension des europäischen Inte- 
grationsprozesses, sondern auch zu einem besseren Verständnis der Pro- 
bleme bundesstaatlicher Ordnungen. 
  
6 Prägend Walter Hallstein, Die EWG — eine Rechtsgemeinschaft, 1962. Die Formel 
findet sich auch in der Rechtsprechung des EuGH (vgl. z. B. Rs. 2944/83, Slg. 1986, 
S. 1339 ff., 1365). Die Rede von der «Rechtsgemeinschaft» hat (neben vielen Vorzü- 
gen) auch den Nachteil, dass das Problem der Macht begrifflich aus dem Blickfeld 
zu verschwinden droht. 
7 Neben der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall gehóren zum Vollzug typi- 
scherweise auch der Erlass von Vorschriften untergeordneter Bedeutung (Vollzugs- 
vorschriften) sowie die Bereitstellung der nötigen Sach- und Finanzmittel. — Zur 
schwierigen Abgrenzung zwischen Rechtsetzung und Rechtsanwendung (bzw. 
Vollzug) vgl. statt vieler René Rhinow, Rechtsetzung und Methodik, Basel / Stutt- 
gart 1979. 
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