Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Stefan Oeter 
batte über den europäischen Fóderalismus mit starken Elementen politi- 
scher Programmatik aufladen. Die in diesen Kategorien und Begrifflich- 
keiten geführte Debatte über die Gestalt Europas enthält mithin not- 
wendig ein starkes Element politischer Teleologie, um nicht zu sagen 
Eschatologie. 
Analytisch bleibt somit nichts anderes, als zunächst entweder am 
sui generis-Charakter der EU festzuhalten, den man dann in der Folge 
mit Elementen einer Theorie des europäischen Föderalismus auflädt, 
oder einen — von den teleologischen Elementen der Staatenbund-Bun- 
desstaat-Dichotomie gereinigten — neuen analytischen Oberbegriff zu 
nehmen, der sich wiederum mit Bausteinen und Strukturelementen einer 
Theorie des europäischen Föderalismus anreichern lässt (wie es etwa 
Christoph Schönberger mit seinem Begriff des Bundes unternimmt).”* 
Eine vergleichende Analyse hilft bei dieser Entwicklung von Bausteinen 
und Strukturelementen einer Theorie des europäischen Föderalismus in 
vielfältiger Form — und zwar als vergleichende Analyse im Sinne der Ver- 
fassungsvergleichung, aber auch als historisch vergleichende Analyse im 
Blick auf die vielfältigen Formen bündischer Gemeinwesen föderaler 
Prägung. Dass sich aus derartigen historischen Vergleichen einiges ler- 
nen lässt, sollte dieser Text demonstriert haben. 
Letztlich gemahnt uns jede Form einer solchen vergleichenden 
Perspektive immer wieder des Umstandes, dass die Europäische Union 
eine geniale Zwitterkonstruktion darstellt, die aus der vollen Breite des 
föderalen Formenschatzes schöpft und Elemente klassisch staatenbündi- 
scher Konstruktionen umstandslos mischt mit Bauelementen klassisch 
bundesstaatlicher Verfassungskonstruktionen. Dieser ungenierte Eklek- 
tizismus, der der europáischen Zwitterkonstruktion zugrunde liegt, ge- 
währleistet eine hohe Flexibilität in der institutionellen Evolution — und 
gewährleistet letztlich eine radikale Entwicklungsoffenheit der europäi- 
schen Föderalkonstruktion. Es ist dieser Konstruktion eben gerade nicht 
eingeschrieben, bis an ihr Ende nur Staatenbund sein zu dürfen oder 
notwendig zum Bundesstaat werden zu müssen — in welche Richtung die 
fóderale Struktur der Union sich entwickelt, ist nicht festgelegt, sondern 
bedarf der steten politischen Entscheidung. Wenn die europäischen Po- 
litiker (und die Volker Europas) sich einig sind, kann aus diesem Gebilde 
74 . Siehe C. Schónberger (Anm. 25), S. 81 ff. 
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