Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte
ist der Kompromiss schwierig - entweder der Bund wird zum Träger der
auswártigen Gewalt, die dann den (insoweit vólkerrechtlich mediatisier-
ter) Gliedstaaten fehlt, oder die Gliedstaaten behalten ihre auswärtige
Gewalt (und die dafür erforderlichen Apparate) und kooperieren nur in
letztlich volkerrechtlichem Modus. Zu sehen ist dies deutlich an den his-
torischen Beispielsfállen: Sowohl die amerikanische Bundesverfassung
wie die im Gefolge des Sonderbundskrieges 1848 erzielte Schweizer
Bundesverfassung zentralisierten sofort die auswártige Gewalt, um so
den diplomatischen Querelen zu entgehen, die die staatenbündischen
Konstruktionen der Eidgenossenschaft (bis 1848) und die Confederation
der ersten Jahre nach der Unabhängigkeit geplagt hatten.® Einzig das
Deutsche Reich der Verfassung von 1871 hatte mit den Gesandschafts-
rechten der Länder und deren fortbestehender (partieller) Völkerrechts-
fähigkeit Züge einer Kompromisskonstruktion — doch auch diese Kom-
promisskonstruktion beruhte im Grundprinzip auf einer aussenpoliti-
schen Mediatisierung der Gliedstaaten und einer Zentralisierung der
auswärtigen Gewalt.66
Anders stellt sich der Befund im Blick auf die Arrangements der
militärischen Verteidigung dar. Bündische Systeme basieren hier in ihren
Frühstadien häufig auf einem Hybrid militärischer Zuständigkeiten der
Bundes- wie der Gliedstaatsebene. So wurden im Deutschen Reich bis
1918 die militärischen Truppenteile im Prinzip nach wie vor von den
Gliedstaaten aufgestellt und ausgerüstet (bis auf den Sonderfall der Ma-
rine, die von vornherein als Apparat des Reiches aufgebaut worden war).
Organisation, Ausrüstung und auch das Militàrrecht waren allerdings
vereinheitlicht, und die Kommandogewalt lag selbst im Frieden, bis auf
den bayerischen Sonderfall, beim Kaiser, als der monarchischen Spitze
des Reiches.” In den USA und in der Schweizer Eidgenossenschaft ha-
ben sich bis heute Spuren der ursprünglich gliedstaatlich verankerten
Milizstrukturen gehalten. In den USA bestand neben den gliedstaatli-
chen Milizen, die in Gestalt der Nationalgarde bis heute überdauert ha-
ben, von Anfang an eine professionelle Armee des Bundes, die jedoch
65 Vgl. zum amerikanischen Fall R. Schütze, From Dual to Cooperative Federalism:
The Changing Structure of European Law, Oxford 2009, S. 108 ff.
66 Zur auswärtigen Gewalt im Deutschen Reich vgl. E. R. Huber (o. Anm. 28),
S. 930 ff.
67 . Vgl nur E. R. Huber (o. Anm. 28), S. 992 ff.
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