Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Stefan Oeter 
Ansonsten trugen die Verbundkonstruktonen der ersten Hilfte 
des 19. Jahrhunderts durchgángig eher staatenbündische denn bundes- 
staatliche Züge — wenn auch die Dichotomie von Staatenbund und Bun- 
desstaat ein deutlich später entwickeltes theoretisches Konstrukt ist, das 
im Blick etwa auf den Deutschen Bund auch polemische Züge einer De- 
nunziation dieser Konstruktion trug. Den Details der Institutionen- 
verfassung des Deutschen Bundes wird die Kategorisierung als Staaten- 
bund nicht durchgängig gerecht, wie in der neueren Literatur aufgezeigt 
worden ist." Manche institutionelle Arrangements des Deutschen Bun- 
des, die für die Bundesorgane so etwas wie direkte Durchgriffsbefug- 
nisse in den Binnenbereich der Mitgliedstaaten vorsahen, würden wir 
heute eher als supranationale Befugnisse denn als klassische Ausprágun- 
gen staatenbündischer Konstruktionen einstufen.? 
Gleichwohl lässt sich der im. Kern staatenbündische Charakter 
des Deutschen Bundes nur schwer bestreiten, blickt man auf die Grund- 
züge der Institutionenordnung.?# Zentrales Organ des Bundes war die 
Bundesversammlung, also die Versammlung der (diplomatischen) Ver- 
treter der mitgliedstaatlichen Regierungen.? Zentrale Akteure der Wil- 
lensbildung waren also nicht direkt gewahlte Volksvertreter, sondern — 
wie heute noch im Kontext der internationalen Organisationen — Reprä- 
sentanten der Mitgliedstaaten bzw. deren Regierungen. Eine solche 
Versammlung übt letztlich nur abgeleitete Hoheitsgewalt aus — abgelei- 
tet von den mitgliedstaatlichen Institutionensystemen, übertragen per 
Vertrag auf ein gemeinsames Organ, das aber über eine Zusammenset- 
zung wiederum rückgebunden ist an den Willen der einzelnen Regie- 
rungen. 
Eine im Ansatz ähnliche Regelung kannte die (heute durchgängig 
auch als rein staatenbündisch kategorisierte) Eidgenossenschaft der Jahr- 
25 Siehe in diesem Sinne auch C. Schönberger, Die Europäische Union als Bund. Zu- 
gleich ein Beitrag zur Verabschiedung des Staatenbund-Bundesstaat-Schemas, AGR 
129 (2004), S. 81, 95 f. 
26  Ebda., S. 98 f£; vgl. ferner M. Burgess, Federalism and European Union: The Buil- 
ding of Europe, 1950—2000, London u.a. 2000, S. 41 ff. 
27 Siehe hierzu C. Schónberger (o. Anm. 25), S. 89 ff. 
28 . Vgl E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, 2. Aufl. Stuttgart 
1967, S. 663 ff. 
29 . Vgl E. R. Huber (o. Anm. 28), S. 588 ff. 
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