Supranationalität in geschichtlicher Perspektive
grationsräume und relativierten Binnengrenzen. In Verbindung mit der
Anerkennungspflicht in Bezug auf amtliche Dokumente schufen sie
Grundelemente eines gemeinsamen Rechtsraumes. Die Staaten gaben et-
was auf, was zum Kern der Staatlichkeit zählt: die Kontrolle über die
Zuwanderung. Die Konföderation trug damit zur Schaffung einer Situa-
tion bei, die den Schritt zur Staatlichkeit ein paar Jahre später als weni-
ger gross erscheinen liess.
IV. Schluss
1. Militärische Bedrohungslagen
Zu welchen allgemeineren Überlegungen führt die Auseinandersetzung
mit der amerikanischen Konföderation? In welchem Licht lassen Ent-
stehungs- und Wirkungsgeschichte der Konfôderationsartikel — um zum
Ausgangspunkt des Beitrages zurückzukehren — die heutige Situation
der Europiischen Union erscheinen? Der Gedanke liegt nahe, dass zwi-
schen der Entstehung von Supranationalitàt und militärischen Bedro-
hungen eine Korrelation besteht. Sowohl im Fall der amerikanischen
Kontfôderation als auch bei der europáischen Integration ist ein solcher
Konnex feststellbar. Die amerikanische Konfóderation war im Kern si-
cherheitspolitisch motiviert. Sicherheitsbelange waren seit Beginn der
militärischen Auseinandersetzungen mit England von überragender Be-
deutung und der Hauptgrund für die Weiterentwicklung der zunächst
bloss politischen Allianz zu einer supranationalitätsähnlichen Verbin-
dung.
Auch die Anfänge der europäischen Integration sind eng mit sicher-
heitspolitischen Überlegungen verknüpft. Europa sollte aus national-
staatlicher Feindseligkeit und Zersplitterung herausgeführt, die sicher-
heitspolitischen Parameter derart verschoben werden, dass Gewaltan-
wendung unter Nachbarn als Mittel rationaler Politik nach Môglichkeit
ausscheidet.!7 Mit der Schaffung der Montanunion wurde — diese Ideen
umsetzend — die für die Kriegführung zentrale Stahlindustrie gemeinsa-
mer Kontrolle unterstellt; eine zentrale Gefahrenquelle war damit einge-
107 Bóckenfórde, Europa (Anm. 1), S. 68 ff.
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