Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Supranationalität in geschichtlicher Perspektive 
sprachen sich für ersteres Kriterium aus, da sie vergleichsweise über 
mehr Bodenwerte als Personen verfügten.^! Sie fürchteten, mehr zahlen 
als bestimmen zu kónnen, konnten sich aber nicht durchsetzen. Man 
entschied sich für das Verteilkriterium des Wertes des Grundeigentums 
unter Einschluss des Wertes aller darauf stehenden Gebäude. Das um- 
ständlich zu handhabende Kriterium löste sofort neuen Streit aus. 
Das dritte Problemfeld betraf die Zukunft der Territorien westlich 
der alten Kolonien. Wie weit sollten sich die ehemaligen Kolonien aus- 
dehnen und ihr Gebiet eigenmächtig vergrössern können? Sollten die 
Gebiete sklavereifrei sein, wie einige Staaten aus dem Norden forderten, 
die die Sklaverei abgeschafft hatten, oder sollte diese Frage offen blei- 
ben? Die Sklavenfrage war insofern brisant, als sie das Binnengleichge- 
wicht der Allianz betraf, das Verhältnis zwischen sogenannten Sklaven- 
halterstaaten und sklavenfreien Gebieten. Das diesbezügliche Gleich- 
gewicht war fragil. Die Frage blieb in den Konföderationsartikeln vor- 
erst ungeregelt. Erst 1787 fand sie in der Northwest Ordinance — einem 
Kongressakt — eine Lösung. Der Kompromisscharakter der Regelung er- 
moóglichte die Koexistenz beider Systeme wahrend der ersten Jahrzehnte 
der Union. 
Die Ziele der Konfóderation sollten vor allem auf zwei Wegen er- 
reicht werden: durch Übertragung substantieller Kompetenzen von den 
Staaten auf die Zentralgewalt und durch aktives Vorantreiben der wirt- 
schaftlichen, rechtlichen und sozialen Integration durch bestimmte Ver- 
und Gebote. Erste Gemeinschaftsaufgabe der Konfôderation war die 
Aussen- und Sicherheitspolitik. Etwa die Hálfte der dem Kongress über- 
tragenen Zuständigkeiten hatte direkt oder indirekt mit Verteidigung 
oder Sicherheit zu tun. Die Konfóderation entschied insbesondere über 
Krieg und Frieden, die Entsendung von Botschaftern und den Abschluss 
internationaler Vertráge — allerdings mit Ausnahme der Handelsvertráge, 
  
54 . Freedman, Fresh Look (Anm. 11), S. 821. 
55 Article VIII Abs. 1. 
56 . Vgl Oliver Diggelmann, Das dunkle Kapitel der US-Verfassungsgeschichte, 15 Jura 
(2009), Bd. 1, S. 200 ff. 
57 . Bei der Kompetenzzuweisung folgten die Konfôderationsartikel — wie spáter die 
Verfassung — dem Prinzip der Einzelenumeration. Article II regelt diesen Punkt ex- 
plizit. Die Verfassung von 1787 enthielt zunáchst keine ausdrückliche Regelung. Es 
war jedoch selbstverstándlich, dass man an der Kompetenzausscheidungsregel fest- 
halten wollte. Amendment Ten machte die Entscheidung wieder explizit. 
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