Oliver Diggelmann
Spuren dieser Überlegungen sind sowohl in den Konföderationsartikeln
als auch in der Unionsverfassung zu finden. Die Sicherheitsfrage war für
die Schöpfer der Konföderation zentral. Die Konföderationsartikel ge-
währten den Angehörigen der ehemaligen Kolonien aber auch, modern
ausgedrückt, weitgehende Freizügigkeitsrechte in den anderen Konfö-
derationsstaaten, auf die im Einzelnen einzugehen sein wird.
Während der Beratungen standen drei Streitpunkte im Vorder-
grund.“ Zentral war die Frage, ob die Stimmen der Staaten im Kongress
gewichtet oder gleich gezählt werden sollten. Die grossen Staaten
wünschten eine proportionale Repräsentation und entsprechende Ge-
wichtung. Die kleinen jedoch hielten dem entgegen, auf diese Weise
könnten wenige grosse Staaten über den ganzen Rest bestimmen.” Die
kleinen Staaten setzten sich durch. Jeder Staat erhielt eine Stimme im
Kongress, wie dies in Staatenbünden üblich war! In der Praxis gab die
Regelung viele Probleme auf. Die grossen Staaten waren — angesichts der
erheblichen Kompetenzfülle der Konfóderation — nur sehr widerwillig
bereit, falls überhaupt, sich einem für sie derart nachteiligen Entschei-
dungsmodus zu unterwerfen.? Die Staatengleichheit war überspannt
worden. Bei der Schaffung der Unionsverfassung von 1787 war man sich
bewusst, dass dieses Problem gelóst werden musste. Man ersann eine
Kompromisslósung, die spáter zum Vorbild für die Ausgestaltung der
ersten Gewalt in verschiedenen Bundesstaaten wurde.
Der zweite Hauptstreitpunkt betraf die Verteilung der Kosten für
das Bestreiten der Unionsausgaben. Als Verteilkriterien standen zu-
nächst die Anzahl der in einem Staat lebenden Personen und der Wert
der Grundstücke zur Diskussion. Vor allem die Staaten aus dem Norden
48 Vgl. unten ITL3.
49 Freedman nennt neben den im Folgenden genannten Streitpunkten auch die Indian
Affairs: ders., Fresh Look (Anm. 11), S. 816 ff.
50 Freedman, Fresh Look (Anm. 11), S. 819.
51 Article V Abs. 3.
52 Freedman, Fresh Look (Anm. 11), S. 825.
53 Die 1787 erfundene Formel mit gleicher Repräsentation der Staaten im Senat und
proportionaler Repräsentation des Volkes im Repräsentantenhaus wird gemeinhin
als Great Compromise bezeichnet. Sie verband Elemente des kleine Staaten begüns-
tigenden New Jersey-Plan — jeder Staat sollte eine Stimme haben — mit Elementen
des Virginia-Plan, der das Stimmrecht nach Bevölkerungsszahl beziehungsweise Fi-
nanzkraft bemessen wollte. Weitere Namen für den Great Compromise sind Con-
necticut Compromise oder Sberman's Compromise.
132