Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Die Verfassung der «Vereinigten Staaten von Amerika» von 1787 
Aufruhrgesetze» rückt die Theorie der «Interposition» in ein föderales 
Licht. Die «Prinzipen von ’98» erlauben den Gliedstaatenregzerungen 
sich zwischen die Bürgerschaft und die Bundesregierung zu stellen. 
Diese Theorie ist mit der Idee der geteilten Souveränität vereinbar. Erst 
die «Zollkrise» einige Jahrzehnte spáter forderte diese spezifisch ameri- 
kanische Theorie heraus. Nach Calhoun ist jeder Gliedstaat souverän 
und folglich berechtigt, die Bundesverfassung für sich letztverbindlich 
zu interpretieren. Dies beinhaltet — wenn auch nur im Extremfall — das 
unilaterale Recht Bundesgesetze zu «nullifizieren». 
Was für Lehren sind aus der amerikanischen Verfassungsgeschichte 
für die Europäische Union zu ziehen? Die europäische Verfassungslehre 
kann viel von der amerikanischen Verfassungstheorie lernen (und umge- 
kehrt). Die europäische Föderalismustradition besteht leider immer 
noch auf der Idee der ungeteilten Souveránitát.?! Durch dieses (monisti- 
sche) Verstándnis entstehen — unlósbare - Probleme bei der Analyse des 
politischen und konstitutionellen Dualismus fôderaler Ordnungen. Dies 
zeigt sich insbesondere bei der Charakterisierung der Europáischen 
Union. Einer Tradition, die auf das — unitarische - Konzept der Souve- 
ränität pocht, muss der «Verfassungspluralismus» der Europäischen 
Union als «Neuheit» oder «Anomalie» erscheinen. Das Fehlen 
eines «archimedischen Punktes», von welchem aus alle Rechtsmacht er- 
klirt werden kann, wird dann — filschlicherweise — als «Beweis» für de- 
ren sui generis Charakter angesehen.” Was für eine introvertierte und 
91 Für eine Analyse dieser «europäischen Föderalismustradition», siehe: R. Schütze, 
From Dual to Cooperative Federalism (Oxford University Press, 2009) 30-36 und 
58 ff. 
92 Contra N. Walker, The Idea of Constitutional Pluralism, (2002) 65 Modern Law Re- 
view 317 (338). Walker — ein führender Kopf der «Verfassungspluralismus»-Strö- 
mung im Europarecht — beschreibt diese «neue» Entwicklung wie folgt: «It is no 
coincidence that this literature has emerged out of the study of the constitutional 
dimension of EU law, for it is EU law which poses the most pressing paradigm-chal- 
lenging test to what we might call constitutional monism. Constitutional monism 
merely grants a label to the defining assumption of constitutionalism in the West- 
phalian age ... namely the idea that the sole centres or units of constitutional aut- 
horities are states. Constitutional pluralism, by contrast, recognizes that the Euro- 
pean legal order inaugurated by the Treaty of Rome has developed beyond the tra- 
ditional confines of inter-national law and now makes its own independent consti- 
tutional claims exist alongside the continuing claims of states.» (Ibid., 337). Diese 
«eurozentristische» Ansicht ignoriert die amerikanische Verfassungslehre, nach 
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