Die Verfassung der «Vereinigten Staaten von Amerika» von 1787
South Carolina insistierte, es handle sich bei der Theorie der Nullifika-
tion um ein verfassungsimmanentes Recht. Um seiner Entschlossenheit
noch stärkeren Ausdruck zu verleihen erklärte «das Volk South Caroli-
nas», dass es die Anwendung von Bundeszwang nicht tolerieren würde.
Eine militärische Intervention des Bundes wäre «unvereinbar mit dem
Verbleib South Carolinas in der Union». In diesem Fall würde sich die
Bevölkerung South Carolinas «von der Verpflichtung, das politische
Band mit den Völkern der anderen Gliedstaaten zu erhalten, entbunden
sehen».*6 Das war eine eindeutige Drohung auch das allerletzte Register
in fóderalen Verfassungskonflikten zu ziehen: die (unilaterale) Sezession.
Und die Berufung auf dieses letzte Mittel führte letztlich zum Bürger-
krieg.
5. Schlussfolgerung:
Die Amerikanische Fóderalismustradition
und die Europäische Union
Der moderne Föderalismus entsteht im Kielwasser des Westfälischen
Staatensystems. Um die Staatenbünde der Neuzeit mit der Idee der Sou-
veränität in Einklang zu bringen, werden diese zunächst rein völker-
rechtlich erklärt. Staatenbünde fussen auf einem foedus, einem völker-
rechtlichen Vertrag, der die Souveränität der Gliedstaaten unberührt
lässt. Ein Bund ist eine freiwillige Vereinigung, welche sich durch ihre
Freiwilligkeit von der erzwungenen Vereinigung in (Mehrvölker-)Rei-
chen unterscheidet.” Die Gründung der Vereinigten Staaten von Ame-
rika am Ende des 18. Jahrhunderts lóst eine semantische Revolution die-
ses Fôderalismusverständnisses aus. Die Wortgefechte um die amerika-
nische Verfassung von 1787 prägen eine neue Fôderalismusidee. Diese
erhebt die verfassungsrechtliche Realität der Vereinigten Staaten zum fô-
deralen Ideal. Fôderalismus steht nun für eine aus internationalen und
nationalen Elementen gemischte Ordnungsstruktur. Diese fôderale Tra-
86 Ibid. 262.
87 O. Beaud, La notion de pacte fédératif: Contribution à une théorie constitutionnelle
de la Fédération, in: J-F Kervégan & H Mohnhaupt (Hrsg.), Liberté sociale et lien
contractual dans l’histoire du droit et de la philosophie (Klostermann, 1999), 197
(248 £.).
113