Volltext: 25 Jahre Liechtenstein-Institut

hatte oder wo sich aufgrund der zollvertraglichen Bindungen eine An- lehnung an das schweizerische Recht empfahl, dieses die Rezeptions- grundlage bilden sollte. Reformbedarf bestand unbestrittenermassen im Eherecht, das im Wesentlichen noch der Urfassung des ABGB entsprach. Als besonders antiquiert wurden vor allem zwei Aspekte empfunden, und zwar, dass es keine Möglichkeit der zivilen Eheschliessung gab und dass für Katholi- ken keine Möglichkeit zur Ehescheidung bestand. Beides hatte seinen Grund in der katholisch-konservativen Grundhaltung der Bevölkerung und des Fürstenhauses sowie in der Dominanz des Katholizismus und im Widerstand der Geistlichkeit. Mit dem neuen Ehegesetz aus 197424 erhielt Liechtenstein ein formell und materiell rein staatliches Eherecht, das die eherechtlichen Bestimmungen des ABGB weitgehend ersetzte. Die traditionellen Kräfte hatten sich insofern durchgesetzt, als an der Unauflöslichkeit der Ehe grundsätzlich festgehalten wurde.25Dies kam dadurch zum Ausdruck, dass die Scheidung als Ausnahme statuiert wurde, die nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurde. Der religiösen Überzeugung einer Mehrheit der Bevölkerung wurde dadurch Rechnung getragen, dass sie nur im Falle der totalen Zer- störung der Ehe als gerechtfertigt angesehen wurde. Um dies sicherzu- stellen, hatte der Scheidung ein langwieriges und aufwendiges Tren- nungsverfahren vorauszugehen, das in seiner spezifischen Ausgestaltung eine eigenständige liechtensteinische Rechtsschöpfung darstellte. Im Übrigen handelte es sich bei dem neuen Ehegesetz um eine Kompilation von österreichischen und schweizerischen Rechtsvorschriften. Ein weiterer grundlegender Reformschritt betraf die Novellierung der im 2. und 3. Teil des ABGB enthaltenen erb- und schuldrechtlichen Bestimmungen.26Damit stand zugleich eine jahrzehntelang umstrittene Problematik vor der Lösung, nämlich die Entscheidung der Frage, ob Liechtenstein das Schuldrecht des ABGB oder das schweizerische Obli- gationenrecht rezipieren sollte. Mit der Entscheidung für die Über- nahme der österreichischen Teilnovellen, mit denen wesentliche Mate- rien des österreichischen ABGB zwischen 1914 und 1916 erneuert wor- 72Elisabeth 
Berger 24LGBl. 20/1974. 25Elisabeth Berger, Rezeption im liechtensteinischen Ehe- und Familienrecht, in: LJZ 2/2006, S. 49ff. Ausführlicher hierzu dies., wie Fn. 40, S. 111 ff. 26Berger, wie Fn. 40, S. 126 ff.
	        

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