Volltext: 25 Jahre Liechtenstein-Institut

(bzw. Kontinentalregierung) oder ein Dauerzustand ist. Oder kurz for- muliert: Stirbt der Nationalstaat mit seinen spezifischen Institutionen und seinen spezifischen Traditionen? Wenn man sich dieser Frage zu- wendet, darf man nicht vergessen, dass die Wirtschaft zwar notwendi- gerweise ein wichtiger und äusserst umfangreicher Bestandteil politi- scher und nationalstaatlicher Tätigkeit ist, aber die Qualität ihrer Be- schaffenheit ist nicht das einzige Ziel dieser Tätigkeit. Andere Ziele kön- nen mit den Imperativen einer globalen Wirtschaft in Konflikt geraten. Angesichts dieses Konflikts spricht der Soziologe Ralf Dahrendorf von einer «Quadratur des Kreises» für den heutigen Nationalstaat. Er soll drei Ziele erfüllen, die aber miteinander unvereinbar sind. Diese drei Ziele sind: 1. Wettbewerbsfähigkeit in einer globalen Welt 2. Sozialpolitik zur Sicherung des nationalen Zusammenhangs 3. Beibehaltung demokratischer Freiheitsrechte. Die Unmöglichkeit, diese drei grundlegenden Ziele gleichzeitig voll zu erfüllen, führt dazu, dass bei einem oder mehreren gewisse Abstriche ge- macht werden müssen. Das ist der Hintergrund für Souveränitätsbe- schränkungen sowie eine Ursache für Globalisierungsskepsis. Damit verbunden ist gelegentlich ein Vertrauensverlust gegenüber der Politik und den Politikern, die das gewünschte Zielbündel nicht hundertpro- zentig realisieren können. Globalisierungsfanatiker und Globalisierungsoptimisten erwarten längerfristig ein Verschwinden dieser Schwierigkeiten durch ein allmäh- liches Absterben der Nationalstaaten und die Entstehung einer Weltge- sellschaft mit Weltbürgern, einer weltweiten Regierung und weltweit geltenden Regeln und Institutionen. Diese utopische Vision übersieht aber,  welche bedeutende Rolle die historisch gewachsenen Differenzie- rungen, die sich in den Nationen verfestigt haben, für die Identitätsfin- dung der Menschen spielen. Zwar gibt es infolge der enorm gewachse- nen Mobilität und Information des modernen Menschen deutliche In- ternationalisierungserscheinungen in Mode, Kunst, Wissenschaft etc. Aber nationale und nationsähnliche Grenzen, innerhalb deren sich durch lange Zeit spezifische sprachliche, religiöse, kulturelle und politi- sche Tendenzen entwickelt haben, stellen eine nicht leicht überwindbare Hürde für ein Weltbürgertum dar (unabhängig davon, ob man ein sol- ches für wünschenswert hält oder nicht). Menschen benötigen be- 378Kurt Rothschild
	        

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