Volltext: 25 Jahre Liechtenstein-Institut

sen hofft man, gemeinsam eine Grösse zu erreichen, die Europa zu ei- nem Akteur auf gleicher Augenhöhe mit den USA, Russland und künf- tig auch China werden lässt. Nach innen hingegen zielt sie darauf, die kleineren Mitgliedsstaaten durch ein differenziertes Beteiligungs- und Beschlussverfahren gegen die Übermacht der Grossen zu schützen. In dieser Hinsicht könnte die Europäische Union in der Tat eine Aufgabe übernehmen, die der Deutsche Bund erfüllt hatte: Schutzschirm für die kleinen und mindermächtigen Staaten gegen die grossen Bundesmitglie- der. Damals besass dieser Schutzschirm jedoch keine Legitimation durch die Bürger, und der Bund war nicht auf Ausdehnung seiner Kompetenz- bereiche angelegt. Als ausschliesslicher Staaten- bzw. Fürstenbund blieb ihm die Möglichkeit verschlossen, ein Bündnis mit den Bürgern einzu- gehen. Deren Wille zur Teilhabe am Staat musste sich auf den jeweiligen Staat richten, in dem sie lebten, und — als dieser ihre Partizipationsfor- derungen unzureichend erfüllte — zunehmend auf den erhofften Natio- nalstaat. Auch die vielen Bürger im Deutschen Bund, die sich mit ihrem Staat identifizierten, setzten ihre Hoffnungen zunehmend auf einen künftigen Nationalstaat, weil sie nur noch von ihm die Erfüllung ihres staatsbür- gerlichen Partizipationswillen erwarteten. Es war also das Demokratie- defizit des Deutschen Bundes und seiner Mitgliedsstaaten, das den Na- tionalstaat zum Hoffnungsträger der Bürger werden liess. Die Idee der Föderativnation,38die sich in allen Nachfolgestaaten des Heiligen Römi- schen Reiches entwickelt hatte, liess sich mit der vielstaatlichen Gestalt der deutschen Nation durchaus vereinbaren, nicht aber mit einer staatli- chen Ordnung, die ihren Bürgern die parlamentarische Mitwirkung ver- weigerte oder deren zeitgemässe Entwicklung beschnitt. Weil der Deut- sche Bund als Schutzraum der Kleinen vor dem staatsbürgerlichen Parti- zipationsverlangen des 19. Jahrhunderts versagte, entzogen ihm mehr und mehr Bürger ihre Unterstützung. Der Gewinner war der National- staat. Denn er verhiess nicht nur «Erlösung aus der Aschenbrödel-Exis- tenz des Kleinstaates», wie es Karl Schmid391957 abwehrend formuliert hatte, er wurde vielmehr auch als ein Demokratieversprechen begrüsst. 265 
Grösse – ein Ideal und seine Widersacher im 19. und 20. Jahrhundert 38Vergl. dazu ausführlich Langewiese: Nation, Nationalismus, Nationalstaat; ders.: Reich, Nation, Förderation. 39Versuch über die schweizerische Nationalität, in: Schmid: Aufsätze und Reden, 11.
	        

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