Volltext: 25 Jahre Liechtenstein-Institut

staat», welche die Idee Nation um die Mitte des 19. Jahrhunderts einge- gangen ist, habe den Kleinstaat existentiell bedroht.21 Kaegis Diagnose, die er dem gängigen Kultus der Grösse entgegen- stellte, überzeugt auch noch im Rückblick. Die deutschen Staaten verlo- ren im Nationalstaat die Teil-Souveränität, die sie als Glieder des Deut- schen Bundes besessen hatten. Die Wiener Schlussakte von 1820 be- stimmt den Deutschen Bund als einen «unauflöslichen Verein», der «in seinem Innern ... eine Gemeinschaft selbständiger, unter sich unabhän- giger Staaten, mit wechselseitigen gleichen Vertrags-Rechten und Ver- trags-Obliegenheiten, in seinen äussern Verhältnissen aber ... eine in politischer Einheit verbundene Gesammt-Macht» bildet (Artikel II und V). Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 spricht zwar auch von einem «ewigen Bund», den die Fürsten eingegangen sind. Doch dominant wurde nun die neue zentralstaatliche Ebene, die mit dem Reichsparlament und dem Kaiser zwei Akteure erhielt, welche die ein- zelnen Staaten – die Verfassung definierte die Glieder weiterhin als Staa- ten – im Machtgefüge und im öffentlichen Ansehen in die zweite Reihe verwies. Doch so sehr die Gliedstaaten Kompetenzen verloren, diejenigen von ihnen, welche 1867 die Gründung des Norddeutschen Bundes als ersten Schritt auf dem Weg zum kleindeutschen Nationalstaat überstan- den hatten, überlebten mit ihren Parlamenten und Fürsten und sicherten so dem jungen Nationalstaat, den es in dieser zentralistischen Gestalt noch nie in der deutschen Geschichte gegeben hatte, eine föderale Grundlage. In ihr setzte sich die staatenbündisch-föderative Hauptlinie der deutschen Geschichte fort und erhielt zugleich eine neue Form. Nur das Fürstentum Liechtenstein und das Grossherzogtum Luxemburg blieben ausserhalb der neuen staatlichen Gestaltung, den der Raum des Deutschen Bundes erhielt, als er 1866 im innerdeutschen Krieg zerbrach und das ausser-habsburgische Deutschland zunächst zum Norddeut- schen Bund vereint und dann im Krieg mit Frankreich zum Deutschen Reich erweitert wurde. Anders als der deutsche zerstörte der italienische Nationalstaat ri- goros die Staaten, die er aufnahm. Er entstand in einer Kette von Krie- 258Dieter 
Langewiesche 21Werner Kaegi: Der Kleinstaat im europäischen Denken (1938), in: Kaegi: Histori- sche Meditationen. Zürich: Fretz & Wasmuth 1942, 249–314, 294.
	        

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