Volltext: 25 Jahre Liechtenstein-Institut

besonderen Gewaltverhältnisses ergeben könnten.24Das Gericht liess in diesem Judikat zwar dahingestellt, welches Mass und welche Aus- drucksformen von Kritik im allgemeinen durch die Meinungsfreiheit ge- deckt seien und wo das Verhalten des Einzelnen gegen die Schranken des Gesetzes und die Sittlichkeit verstiessen. Doch entschied der Staatsge- richtshof, dass der Beschwerdeführer, ein Lehrer, wegen der öffentlichen Herabsetzung der Schulbehörde25zu Recht disziplinarisch belangt wor- den sei. Trotz der im Ergebnis eher restriktiven Tendenz der Entschei- dung lässt der Staatsgerichtshof aber einen Gedanken anklingen, der den rechtsanwendenden Organen die Pflicht zur freiheitsbeachtenden Schrankenziehung auferlegt: Disziplinarmassnahmen seien «grundsätz- lich im Rahmen der übergeordneten Normen, insbesondere in Einklang mit der verfassungsmässig gewährleisteten Meinungsäusserungsfreiheit anzuwenden».26 Diesen Ansatz hat der Staatsgerichtshof später dahingehend verall- gemeinert, dass grundrechtseinschränkende Gesetzesvorschriften nicht ausdehnend angewendet und ausgelegt werden dürfen.27Diese «Be- dachtnahme auf das einschlägige Grundrecht»28erinnert an jene sog. Wechselwirkungstheorie, die das deutsche Bundesverfassungsgericht seit der grundlegenden Lüth-Entscheidung in ständiger Rechtsprechung ins- besondere zu den Meinungsgrundrechten vertritt: Danach müssen die allgemeinen Gesetze in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung des Grundrechts gesehen und so in- terpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt des Grundrechts auf jeden Fall gewahrt bleibt.29Insoweit nimmt das Bundesverfassungsge- richt vor allem auf die Bedeutung der Meinungsgrundrechte im freiheit- lich-demokratischen Staat Bezug.30225 
Die Meinungsfreiheit als Demokratievoraussetzung 24Siehe StGH 1985/17 – Urteil vom 9. April 1986, LES 1987, S. 52 (54). 25Dieser hatte im Blick auf eine Broschüre «Schule wohin?» des Schulamtes ausge- führt: «Heftpflasterpolitik, Gedankenmus und Wörterteig, ein bisschen pseudo-de- mokratischer Schnick-Schnack, populäre Schimpfe-Schimpfe gegen die Lehrer . . . und Feierabend. Diese Billigkeit ist anstössig»; siehe StGH 1985/17, LES 1987, S. 52 (53). 26StGH 1985/17, LES 1987, S. 52 (54). 27Siehe StGH 1991/8 – Urteil vom 19. Dezember 1991, LES 1992, S. 96 (98). 28So im Blick auf die Meinungsäusserungsfreiheit auch Österreichischer Verfassungs- gerichtshof, JBL 1992, S. 513 (514). 29Siehe BVerfGE 7, 198 (208 f.). 30Siehe BVerfGE 71, 206 (214); 66, 116 (150); 59, 231 (265).
	        

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