«Wir waren für eine radikale Opposition gegen die Kom-
munisten.»
«Man war dazu trainiert, unter der Folter nicht zu reden.»
«Niemals ein Schluck Alkohol, sonst verliert man die
Kontrolle über das, was man sagt ...».
«Mein Bruder Yuri und meine Schwester Yvanka waren zu
jung, sie wussten nichts.»"
Im Juli 1944 rückte die deutsch-russische Front náher, sie
lag bereits bei Lemberg (Lwow) — dort also, wo Josef
Salamaj das Studium beginnen wollte. Nun schloss die
OUN im Juli 1944 mit den Deutschen eine Vereinbarung,
gemeinsam gegen die Sowjets zu kämpfen. Die Deut-
schen zerstörten beim Rückzug Teile von Jaroslaw.
Im August 1944 wurde auch die Gegend um Rzeplin
von der Roten Armee besetzt. Der sowjetische Geheim-
dienst deportierte sogleich viele Ukrainer in Arbeits-
lager. Niemand war sicher.
Flucht nach Süden 1944 bis Ebenfurth
In den letzten Augusttagen 1944 verliessen daher Vladi-
mir und Josef Salamaj gegen 3 Uhr früh Haus und Familie
in Rzeplin. Vladimir war 23, Josef 20 Jahre alt. Der jüngere
Bruder Yuri war 17-jährig, ihn nahmen sie nicht mit.
Die beiden flüchteten mit einer bewaffneten Gruppe,
einem Dutzend ukrainischer Partisanen, wahrscheinlich
aus der UPA. In der Nacht querten sie die bereits süd-
wärts liegende russische Front, überschritten danach die
slowakische Grenze. Die UPA kämpfte zusammen mit
den sich zurückziehenden deutschen Truppen noch auf
den Karpatenpässen und in der Slowakei gegen die vor-
rückende Rote Armee. Die Brüder Salamaj waren wohl
mit dabei, in den Reihen der UPA. Jedenfalls wusste Jo-
sef Salamaj mit Sprengkörpern zu hantieren — wie sich
später beim eigenhändigen Hausbau bei Paris zeigte.
Möglicherweise war er auch Ende 1944 in der deutschen
Fliegerabwehr gegen die Rote Armee im Einsatz gestan-
den, wie vage Äusserungen gegenüber dem Sohn an-
deuteten.'
Im Januar 1945 kam Josef Salamaj über Wien ins
50 km südlich davon gelegene Durchgangslager Eben-
furth. Dort lagerten Ende 1944 und Anfang 1945 über
100 000 Flüchtende im Park und in Ställen um Schloss
Ebenfurth.'® Chaotische Zustände herrschten.
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017
Wehrmacht-Dolmetscher 1945
Wehrmacht statt Hunger
Die deutsche Verwaltung im «Flüchtlingsdurch-
gangslager» Ebenfurth suchte kriegsverwendungsfähige
Insassen und auch Arbeitskräfte. Sie drängte Salamaj, als
Dolmetscher in die Wehrmacht einzutreten. Er willigte
ein, um dem Hunger zu entkommen. Und so war er ab
dem 16. Januar 1945 Wehrmacht-Dolmetscher," offenbar
für Ukrainisch, Russisch, Polnisch und Deutsch. Letzte-
res hatte er in den Jahren der deutschen Besetzung 1939
bis 1944 in Jaroslaw gelernt.
Zusammen mit ihm wurde im Lager Ebenfurth ein
weiterer ukrainischer Pole, Peter Buryj (Bury), geboren
1925 in Krakau, ebenfalls als Wehrmacht-Dolmetscher
rekrutiert.? Spátestens von da an verlief ihr Weg einige
Jahre gemeinsam.
Von Vladimir Salamaj dagegen, dem é<eren Bruder
von Josef, hatte sich schon vorher jede Spur verloren, sei
es, dass er im Kampf umkam, sei es, dass er gefangen
genommen und ausgeliefert wurde. Spátere Nachfor-
schungen brachten keinerlei Hinweise oder Lebens-
zeichen mehr.
Zur Holmston-Armee gestossen
Ob Josef Salamaj und Peter Bury als Dolmetscher
direkt der Truppe von Holmston zugewiesen wurden
oder ob sie zuvor in einer andern osteuropäischen Truppe
der Wehrmacht dienten, etwa einer Wlassow-Abteilung,
ob sie kämpfend oder bloss übersetzend wirkten oder
beides, bleibt unklar. Aus Peter Burys späterer Aussage
in Liechtenstein ist zu entnehmen, dass die beiden wohl
direkt der nationalrussischen Holmston-Armee zugewie-
sen wurden. Sie dürften also in der zweiten Januarhälfte
nach Nordwesten transportiert worden sein, und zwar
an die deutsch-sowjetische Front im «Generalgouverne-
ment Polen», wo nahe Warschau noch verstreute Abtei-
lungen Holmstons lagen; darauf weisen zwei Ansichts-
karten aus dem Nachlass Salamay hin.
13 Ebenda,S. 216, 242.
14 Ebenda,S. 248.
15 Ebenda,S.249.
16 www.schloss-ebenfurth.at, Geschichte.
17 LILA RF 230/043 s/38.
18 LILA RF 230/043 s/39.
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