Volltext: Jahrbuch (2017) (116)

«Wir waren für eine radikale Opposition gegen die Kom- 
munisten.» 
«Man war dazu trainiert, unter der Folter nicht zu reden.» 
«Niemals ein Schluck Alkohol, sonst verliert man die 
Kontrolle über das, was man sagt ...». 
«Mein Bruder Yuri und meine Schwester Yvanka waren zu 
jung, sie wussten nichts.»" 
Im Juli 1944 rückte die deutsch-russische Front náher, sie 
lag bereits bei Lemberg (Lwow) — dort also, wo Josef 
Salamaj das Studium beginnen wollte. Nun schloss die 
OUN im Juli 1944 mit den Deutschen eine Vereinbarung, 
gemeinsam gegen die Sowjets zu kämpfen. Die Deut- 
schen zerstörten beim Rückzug Teile von Jaroslaw. 
Im August 1944 wurde auch die Gegend um Rzeplin 
von der Roten Armee besetzt. Der sowjetische Geheim- 
dienst deportierte sogleich viele Ukrainer in Arbeits- 
lager. Niemand war sicher. 
Flucht nach Süden 1944 bis Ebenfurth 
In den letzten Augusttagen 1944 verliessen daher Vladi- 
mir und Josef Salamaj gegen 3 Uhr früh Haus und Familie 
in Rzeplin. Vladimir war 23, Josef 20 Jahre alt. Der jüngere 
Bruder Yuri war 17-jährig, ihn nahmen sie nicht mit. 
Die beiden flüchteten mit einer bewaffneten Gruppe, 
einem Dutzend ukrainischer Partisanen, wahrscheinlich 
aus der UPA. In der Nacht querten sie die bereits süd- 
wärts liegende russische Front, überschritten danach die 
slowakische Grenze. Die UPA kämpfte zusammen mit 
den sich zurückziehenden deutschen Truppen noch auf 
den Karpatenpässen und in der Slowakei gegen die vor- 
rückende Rote Armee. Die Brüder Salamaj waren wohl 
mit dabei, in den Reihen der UPA. Jedenfalls wusste Jo- 
sef Salamaj mit Sprengkörpern zu hantieren — wie sich 
später beim eigenhändigen Hausbau bei Paris zeigte. 
Möglicherweise war er auch Ende 1944 in der deutschen 
Fliegerabwehr gegen die Rote Armee im Einsatz gestan- 
den, wie vage Äusserungen gegenüber dem Sohn an- 
deuteten.' 
Im Januar 1945 kam Josef Salamaj über Wien ins 
50 km südlich davon gelegene Durchgangslager Eben- 
furth. Dort lagerten Ende 1944 und Anfang 1945 über 
100 000 Flüchtende im Park und in Ställen um Schloss 
Ebenfurth.'® Chaotische Zustände herrschten. 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017 
Wehrmacht-Dolmetscher 1945 
Wehrmacht statt Hunger 
Die deutsche Verwaltung im «Flüchtlingsdurch- 
gangslager» Ebenfurth suchte kriegsverwendungsfähige 
Insassen und auch Arbeitskräfte. Sie drängte Salamaj, als 
Dolmetscher in die Wehrmacht einzutreten. Er willigte 
ein, um dem Hunger zu entkommen. Und so war er ab 
dem 16. Januar 1945 Wehrmacht-Dolmetscher," offenbar 
für Ukrainisch, Russisch, Polnisch und Deutsch. Letzte- 
res hatte er in den Jahren der deutschen Besetzung 1939 
bis 1944 in Jaroslaw gelernt. 
Zusammen mit ihm wurde im Lager Ebenfurth ein 
weiterer ukrainischer Pole, Peter Buryj (Bury), geboren 
1925 in Krakau, ebenfalls als Wehrmacht-Dolmetscher 
rekrutiert.? Spátestens von da an verlief ihr Weg einige 
Jahre gemeinsam. 
Von Vladimir Salamaj dagegen, dem é<eren Bruder 
von Josef, hatte sich schon vorher jede Spur verloren, sei 
es, dass er im Kampf umkam, sei es, dass er gefangen 
genommen und ausgeliefert wurde. Spátere Nachfor- 
schungen brachten keinerlei Hinweise oder Lebens- 
zeichen mehr. 
Zur Holmston-Armee gestossen 
Ob Josef Salamaj und Peter Bury als Dolmetscher 
direkt der Truppe von Holmston zugewiesen wurden 
oder ob sie zuvor in einer andern osteuropäischen Truppe 
der Wehrmacht dienten, etwa einer Wlassow-Abteilung, 
ob sie kämpfend oder bloss übersetzend wirkten oder 
beides, bleibt unklar. Aus Peter Burys späterer Aussage 
in Liechtenstein ist zu entnehmen, dass die beiden wohl 
direkt der nationalrussischen Holmston-Armee zugewie- 
sen wurden. Sie dürften also in der zweiten Januarhälfte 
nach Nordwesten transportiert worden sein, und zwar 
an die deutsch-sowjetische Front im «Generalgouverne- 
ment Polen», wo nahe Warschau noch verstreute Abtei- 
lungen Holmstons lagen; darauf weisen zwei Ansichts- 
karten aus dem Nachlass Salamay hin. 
13  Ebenda,S. 216, 242. 
14  Ebenda,S. 248. 
15  Ebenda,S.249. 
16  www.schloss-ebenfurth.at, Geschichte. 
17 LILA RF 230/043 s/38. 
18  LILA RF 230/043 s/39. 
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