weinte». Ferdinand Sele schilderte den Vorgang des Un-
glücks. Demnach erschoss sich Josef Schädler selbst, als
er über einen Zaun steigen wollte.
Schädler korrigierte die «unwahren Angaben» seiner
Ehefrau. Er rechtfertigte sie aber mit dem Hinweis, dass
Ferdinand Sele dringend gebeten habe, «den wahren
Sachverhalt zu verschweigen u. weil die Weiber über-
haupt nicht überlegen, bevor sie sprechen». Weil Magda-
lena Schädler «bereits am 4. September eine Unwahrheit
zu Protokoll» gegeben habe, «wollte sie auch gestern
nichts anderes vorbringen». Ihre Angabe jedoch, dass sie
ihren Sohn tot vor dem Hause liegend angetroffen habe,
sei wahr. Die Männer, welche die Leiche bis zum Haus
Der Wilderer Ferdinand Sele war mit den Wilddieben Josef Schädler
und Gottlieb Schädler unterwegs in Garsälli, als bei Josef Schädlers
Gewehr ein Schuss abging, welcher diesen tötete. Ferdinand Sele und
Gottlieb Schädler wurden am 10. September 1871 wegen Wilddieb-
stahl zu vier Wochen (Sele) respektive acht Tagen (Schädler) Arrest
verurteilt.
getragen hätten, hätten diese nämlich vor der Haustüre
liegen lassen und seien «aus Furcht, erkannt u. verrathen
zu werden», davongerannt.
Abschliessend hielt Schädler fest, dass er zwar anneh-
men müsse, sein Sohn habe sich selbst erschossen. Er
schloss jedoch nicht aus, dass einem der beiden Begleiter
«das Gewehr losging u. dass auf solche Art mein Sohn
verunglückte».
Einvernahme der am Unglücksfall Beteiligten
Ferdinand Sele und Gottlieb Schadler
Am 9. September rief die Regierung den Ferdinand Sele
ebenfalls zur Einvernahme in Vaduz auf.** Sele war
42 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Er
besass das Haus Nr. 188 auf Rotenboden. Er hatte «zu
wiederholtenmalen gerichtlichen Anstand wegen Wild-
dieberei».
Ferdinand Sele machte «nach vorausgeschickter Auf-
forderung zur Angabe der reinen Wahrheit» folgende
Aussage:
Josef Schádler habe an einer vom Forstamt in den Al-
pen abgehaltenen Jagd als Treiber teilgenommen. Ein
paar Tage spáter sei dieser zusammen mit Gottlieb
Schádler zu Ferdinand Sele gekommen und habe ihn
aufgefordert, «mit ihm auf Gemsen zu gehen». Am
Sonntag, 3. September, trafen sich die drei auf dem «Kul-
menübergang»*. Sele und Josef Schádler hatten Gewehre
dabei. Sie «zogen viele Stunden herum», stiessen aber
auf kein Wild. Sele schoss einmal auf eine Gámse, ver-
fehlte diese jedoch.
Am Nachmittag rasteten die drei Wilddiebe und nah-
men einen kleinen Imbiss neben einem Zaun, der die
Alpweide gegen einen steilen Abhang sicherte. Um vier
Uhr brachen sie zum Riickweg auf. Ferdinand Sele und
Gottlieb Schädler stiegen über den Zaun. Josef Schädler
folgte als letzter. Als er den Zaun übersteigen wollte,
knallte es hinter den beiden anderen. Diese drehten sich
um und sahen Josef Schädler «im Blut auf dem Boden»
liegen. Aus Schädlers Gewehr hatte sich ein Schuss ge-
löst, und die Kugel war ihm durch den Kopf gedrungen.
Er hatte noch einen kurzen Schrei von sich gegeben,
dann rührte er sich nicht mehr. Sele und Schädler mach-
ten sich auf den Heimweg nach Bargälla. Dort benach-
richtigten sie den Vater vom Unglück.
Quaderer Rupert: Wilderertod im Garsälli (3. September 1871)