digen, seine freigebigen Gnaden von uns entfernen, uns sei-
nen Unsegen, Misswachs und andere Straffen zuziehen, die
er nur zu bestimmt in der Schrift auf die Entheiligung des
Sabaths angekündet ... hat». Der Kirche war das Seelen-
heil wichtiger als das irdische Wohlergehen, dafür fühlte
sie sich nicht zuständig. Von kirchlicher Seite konnten die
notleidenden Menschen keine materielle Hilfe erwarten.
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Fazit
Wie die ganze Region war Liechtenstein von 1770 bis
1772 sowie 1816/17 von Hungersnöten schwer betroffen.
Den eigentlichen Hungerjahren gingen mehrjährige
Schlechtwetterperioden voraus, die zu schlechten Ernten
führten. Die Probleme mit der Mangelernährung nah-
men zu. Die Kriegsjahre zwischen 1796 und 1815 hatten
Seuchen ins Land gebracht, die Krankheitsanfälligkeit
der schlecht ernährten Menschen erhöht und dazu ge-
führt, dass sich viele Leute verschuldet hatten. Die Miss-
ernten von 1816 wurden durch einen extrem nassen und
kalten Sommer verursacht, die unmittelbaren Folgen
waren die Verteuerung der Lebensmittel und die Ver-
schuldung, die auch bei den an und für sich genügsamen
Bauern Angst vor der völligen Verarmung entstehen
liessen. Hunger und Mangelernährung führten zu einem
Anstieg der Todesfälle und einem Geburtenrückgang.
Auswege aus dem Elend gab es wenige: Bettel, Kleinkri-
minalität und vorübergehende Auswanderung. Die defi-
nitive Auswanderung war noch bis in die 1840er-Jahre
verboten, wurde dann aber rege genutzt.
Aus der Zeit der Hungersnot von 1770 bis 1772 ist
nicht bekannt, dass die Obrigkeit Massnahmen zuguns-
ten der Hungernden ergriffen hätte. 1816/17 versuchten
die fürstliche Hofkanzlei und vor allem Landvogt Schupp-
ler von Österreich Zugeständnisse bei der Lebensmittel-
ausfuhrsperre zu bekommen. Die Erfolge waren eher
bescheiden. Wichtige Massnahmen waren die Repressio-
nen, mit denen man gegen die Folgen der Not anzu-
kämpfen suchte: Ausfuhrsperren, Vertreibung von Bett-
lern und Vaganten, Bekämpfung der Kleinkriminalität.
Louis Specker meinte mit Bezug auf den Kanton
St. Gallen, dass die Hungersnot von 1816/17 ein «histori-
sches Lehrstück» gewesen sei und die Welt in «vielerlei
Hinsicht»'* verändert habe (nämlich in Bezug auf Agrar-
reformen und die Anfänge der Sozialgesetzgebung). In
Liechtenstein fehlten noch eigentliche Strategien (zum
Beispiel Agrarreformen), um zukünftigen Nöten vorzu-
beugen. Es gibt keine Hinweise in den Akten, dass die
Hungersnot die Agrarreformen beschleunigt hätte.
In Liechtenstein wurde die Hungersnot als «Schule
der Vorsehung<, als moralisch-religiôses Lehrstück ver-
standen. Damit konnte man der Hungersnot auch eine
positive Seite abgewinnen. Peter Kaiser schrieb: «Eigent-
lich Hungers starb jedoch Niemand, aber die Folgen des
ausgestandenen Mangels wurden Vielen tödlich. Indeß
blieben diese Not- und Hungerjahre nicht ohne wohltätigen
Vogt Paul: Hungerjahre in Liechtenstein