Volltext: Jahrbuch (2017) (116)

(= 1230 Hektoliter) in der genannten Zusammensetzung 
entsprachen etwa 80 bis 90 Tonnen. Für den Transport 
einer solchen Menge brauchte es etwa 700 Saumtiere. Ein 
solches Unternehmen hätte mit grosser Wahrscheinlich- 
keit eine Erwähnung in den Quellen gefunden. Auf der 
anderen Seite schildert Schädler diesen Transport aber 
doch recht bestimmt, erfunden hat er seine Ausführun- 
gen sicher nicht. 
Massnahmen der Gemeinden 
Für die Armenfürsorge waren traditionellerweise die 
Gemeinden zuständig. Diese waren jedoch nur bereit, 
kranke und arme Gemeindebürger zu unterstützen. Es 
ist nur ein Fall dokumentiert, bei dem ein Gemeindebür- 
ger von der Gemeinde eine Unterstützung erhielt, doch 
ist nicht klar, ob diese Unterstützung eine Ausnahme 
war oder ob solche öfters vorkamen. In einem Protokoll 
vom 11. Juni 1817 heisst es: «Weil es herausgekommen ist, 
dass Lorenz Bek gleich jedem anderen Bürger von den Ge- 
richten zu Schaan eine Unterstützung von Gemeindswegen 
erhalten habe, so ergieng an den Schaaner Richter Johann 
Hilti die Weisung dem Amte anzuzeigen, ob, wann, wie 
viel Geld und in welchen Miünzsorten Lorenz Bek erhielt; 
vorauf er [Johann Hilti] unterm 14ten dieses miindlich er- 
klürte: Bek habe am 9ten dieses [Monats] von den Ge- 
meindsgeldern eine Unterstützung von 8 Kronenthalern 
richtig erhalten.» 1 Kronthaler entsprach 2 Gulden und 
42 Kreuzer. Beck hätte also knapp 22 Gulden bekommen, 
was eine bedeutende Summe war. Leider sind die Hin- 
tergründe dieses Falls unklar: Der Umstand, dass Land- 
vogt Schuppler nähere Informationen einholte, deutet 
darauf hin, dass es vermutlich ein aussergewöhnlicher 
Fall war. Es ist davon auszugehen, dass die Gemeinden 
in der Regel für die Unterstützung von armen Bürgern 
kein Geld aufbringen wollten — für Fremde taten sie es 
ohnehin nicht. 
Schuppler wollte die Gemeinden stárker in die Pflicht 
nehmen. Ihm schwebte die Schaffung eines Unterstüt- 
zungsfonds vor: Mehrere Gemeinden — namentlich 
Schaan, Triesen, Balzers und Eschen — hätten noch grosse 
Gemeindewaldungen, aus denen sie Holz ins Ausland 
verkaufen könnten, ohne ihren eigenen Holzbedarf zu 
gefährden. Mit dem Erlös sollte ein Unterstützungsfonds 
für die Ärmsten in der Gemeinde gebildet werden. Die- 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017 
ser müsste zumindest reichen, um Samen und Kartoffeln 
zum Anpflanzen zu kaufen. Die anderen Gemeinden 
müssten irgendwie Kredite aufnehmen, um ihren Be- 
wohnern Samen vorstrecken zu können.'“ Aus den Ak- 
ten geht nicht hervor, ob dieser Fonds realisiert wurde. 
Es ist ziemlich unwahrscheinlich. 
Haltung der Kirche 
Nach der Lehre der katholischen Kirche war die Hun- 
gersnot eine Strafe Gottes: Die Menschen sündigten — 
Gott strafte, um sie auf den rechten Weg zurückzuholen. 
Dass Seuchen und Nöte eine Strafe Gottes seien, war eine 
weit verbreitete Auffassung. So beschrieb Johann Georg 
Helbert in seiner Chronik, wie 1802 zur Abwehr von 
Seuchen die Ställe «benediziert« und Prozessionen orga- 
nisiert wurden. Zur Ursache der Seuche meinte er: «Ich 
meine, es ist eine Strafe Gottes gewesen»? 
Diese Mentalitát in Bezug auf Seuchen und Elend be- 
stand auch 1816 noch, wie ein Hirtenbrief vom 3. August 
1816 zeigt.'? Darin schrieb der Churer Bischof Karl Ru- 
dolf, dass es angesichts der aufeinanderfolgenden Miss- 
jahre und der zunehmenden Not das gemeinsame Ver- 
langen der Gläubigen sei, «alle Quartal eine feierliche An- 
dacht mit zehnstiindigem Gebeth vor ausgesetzter hochster 
Gut [den geweihten Hostien] abzuhalten». Der Bischof er- 
teilte natürlich die Genehmigung für eine solche «heil- 
same Andacht». Gleichzeitig verurteilte er scharf, dass 
die Sonntage durch Arbeiten entheiligt würden. Die 
Missernten seien eine gerechte Strafe Gottes und durch 
eigenes Verschulden entstanden. Dass die Sonn- und 
Feiertage entheiligt würden, müsse Gott «höchlich belei- 
133 Schädler, S. 13 f. Er stützte sich auf Unterlagen des Statthalterei- 
archivs im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck, die mir nicht zur 
Verfügung standen. 
134 LILA AV 2/4, 1817 Nr. 82. 
135 AT HALW HKW 2153/1817 
136 1 Metzen - circa 61,49 Liter. 
137 LILA AV 2/4, 1817 Nr. 153 und 154, jeweils 8. Juni 1817. 
138 LILA RB L3/1817. 
139 LILA AV 2/4, 1817 Nr. 159. 
140 LILA K2/1817. 
141 LILA L3/1817. Schreiben vom 11. Januar 1817 an die fürstliche 
Hofkanzlei. 
142 Helbert, Chronik, S. 117. 
143 LILA RB P1/1816. 
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