lich die Ausfuhr in die Schweiz und nach Graubünden,
nicht aber nach Vorarlberg. Zuwiderhandelnde sollten
beim Oberamt angezeigt und die Lebensmittel, die für
die Ausfuhr vorgesehen waren, konfisziert werden. Ein
Drittel des Erlöses ging an die Denunzianten, zwei Drit-
tel an die fürstlichen Renten — dies war die übliche Be-
lohnung für Denunzianten.
Dass Schuppler gegenüber Vorarlberg keine Ausfuhr-
sperre erliess, dürfte damit zu erklären sein, dass er sich
wohl erhoffte, dass das Vorarlberger beziehungsweise
Österreichische Ausfuhrverbot für Liechtenstein gelo-
ckert werden könnte. Er wurde ab Dezember 1816 wie-
derholt bei den Behörden in Vorarlberg vorstellig, um
sein Anliegen zu platzieren? — doch insgesamt mit wenig
Erfolg. Immerhin wurde am 1. Februar 1817 der Einkauf
kleiner Mengen von Lebensmitteln auf dem Feldkircher
Wochenmarkt gestattet.”
Hunger und Mangelernährung
Anfang 1817 hatte sich die Ernährungslage so sehr ver-
schlechtert, dass manche verzweifelten Untertanen zu
Ersatznahrung griffen: Aus Kleie («Grüsche»), Türken-
kolben und Trester wurde Ersatzbrot gebacken. Nun
wurde auch Pferdefleisch gegessen, das normalerweise
als ungeniessbar galt. Schuppler schrieb am 11. Januar
1817 an die Hofkanzlei: «Die überhandgenommene Noth
der meisten hiesigen Unterthanen als Folge so vieler nach
einander eingetrettenen Misjahre, die sich in der That nicht
beschreiben lässt, denn viele Familienväter ringen samt ih-
ren Angehôrigen mit dem grässlichsten Hungertode, weil
ihre Vorräthe aufgezehrt und sie nicht im Stande sind, die
seit Menschengedenken nicht so theuer gewesenen
nothwendigsten Lebensfrüchte, in wie weit ihre Einfuhr
aus dem Ausland ohnehin nicht schon gesperrt ist, sich bei-
zuschaffen; und viele nehmen zu dem Genuss des Pferdflei-
sches und der wenigen Weintraubentrüster [!], die sie mit
Kleien vermischt verbaken und als Brod geniessen, ihre Zu-
flucht, um nicht gerade oerhungern zu müssen; diese Noth,
die nun erst im Beginne ist und von Tag zu Tag wächst,
weil nach und nach auch der Vermóglichere, der sonst alle
Jahre von seinen Vorrüthen etwas feilbiethen oder damit
den Aermeren unterstützen konnte, seine wenigen Erdäpfln
aufzehrt; denn andere Früchte ausser etwas wenigem schon
lang verspeisten Korn qab es heuer gar keine.»"!
Die Vermutung, dass in der Not mehr Vieh geschlach-
tet wurde, um einerseits Futter zu sparen und anderer-
seits mehr Nahrungsmittel zu beschaffen, liegt nahe.
War dem so? Dank der Volkszáhlungen aus den Jahren
1812, 1815 und 1818 gibt es genaue Angaben über die
Entwicklung des Nutztierbestandes (Grafik 5):? Der
Pferdebestand betrug 1818 noch 100 Prozent des Be-
stands von 1815, bei den Kühen waren es noch 88 Pro-
zent, bei den Rindern noch 88 Prozent. Geschlachtet
wurden vor allem Schweine (noch 44 Prozent des frühe-
ren Bestands) und Schafe (49 Prozent), dagegen stieg die
Zahl der Ziegen erstaunlicherweise (110 Prozent). Dass
Grafik 5: Tierbestand nach den Volkszáhlungen 1812, 1815 und 1818
= 1812 2500
—1815 2000
1818
1500
1000
Pferde Kiihe Nachzucht Schweine Schafe Ziegen
(Rinder)
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Vogt Paul: Hungerjahre in Liechtenstein