den) kaufte der Kanton nur ein «kleines Quantum Ge-
treide» zur Behebung der Not, doch rief er die vermö-
genden Leute auf, Bürgschaften für den Ankauf von
Lebensmitteln zu übernehmen.” Am 20. September
1816 beschloss er Massnahmen gegen den Kornman-
gel” und am 26. September 1816 erliess er ein Ausfuhr-
verbot für Kartoffeln.” Auch das Schnapsbrennen aus
Kartoffeln wurde verboten.“ Die Kantonsregierung sah
die Zuständigkeit für Fürsorgemassnahmen bei den
Gemeinden und gab deshalb lieber den Gemeinden
Empfehlungen zur Behebung der Not (z. B. Intensivie-
rung des Ackerbaus, Aufhebung des allgemeinen
Weidgangs auf Privatgütern). Das Ausfuhrverbot
wurde am 29. April 1817 verlängert.
Ausdrücklich erlaubt war der Transit von Lebensmit-
teln. Die Bündner Regierung liess sich bei ihrem Ent-
scheid davon leiten, «dass dem Transit der Waare nicht
nur kein Hinderniss in den Weg gelegt werden darf, son-
dern derselbe, weil es das einzige Verdienstmittel des Lan-
des ist, auf alle mögliche Weise befördert werden muss.»
Von Seite des Kantons Graubünden stand also einem Le-
bensmitteltransport von Italien nach Liechtenstein nichts
im Weg. Das Ausfuhrverbot von in Graubünden erzeug-
ten Lebensmitteln aller Art wurde am 11. August 1817
noch einmal erneuert.“ Es ist deshalb erstaunlich, dass
die Kantonsregierung im Juni 1817 für Liechtenstein eine
Ausnahme machte und den liechtensteinischen Unter-
tanen gestattete, Früchte und Mehl in Chur zu kaufen.“
In Vorarlberg waren die Verhältnisse ähnlich wie im
St. Galler Rheintal. Auch hier war man in normalen Zei-
ten auf den Import von Getreide aus Süddeutschland an-
gewiesen. Der Ackerbau diente dem Eigenbedarf. Hier
muss schon vor der grossen Hungersnot 1816/17 ein Ge-
treideausfuhrverbot bestanden haben, denn am 14. Feb-
ruar 1816 wurde aufgrund einer «allerhöchsten Ent-
schliessung» vom 14. Januar 1816 durch das Landesgu-
bernium in Tirol und Vorarlberg das «Verboth der Kör-
ner-Ausfuhr in das Ausland erneuert».? Am 2. Mai 1816
wurde «das bestehende Verboth der Kórner-Ausfuhr in
das Ausland» abermals erneuert». Am 1. September
1816 erging ein Verbot für das Branntweinbrennen aus
Erdapfeln.®® Das gemiss Albert Schádler im November
1816 erlassene Ausfuhrverbot fiir Lebensmittel aller Art,
konnte in den Akten des Vorarlberger Landesarchivs
nicht gefunden werden.®® Am 16. Januar 1817 wurde von
Innsbruck das Getreideausfuhrverbot auf Erdápfel und
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017
Hülsenfrüchte ausgedehnt; dies ist ein Beleg, dass sich
im Winter 1816/17 die Hungersnot verschärft hat.”
Landvogt Josef Schuppler erliess bereits am 18. Sep-
tember 1816 eine Ausfuhrsperre für Lebensmittel.® Er
begründete die Notwendigkeit damit, dass alle benach-
barten Länder «die Ausfuhr der Früchte aller Art, vorzüg-
lich der Grundbieren ins Ausland auf das strengste unter-
sagt» hätten und Liechtenstein ebenfalls einen drücken-
den Mangel zu befürchten habe. Merkwürdig mutet an,
dass er auf die Ausfuhrsperren «aller benachbarten Län-
der» Bezug nahm, aber nur in Vorarlberg ein solches er-
lassen worden war. Ausdrücklich verboten wurde ledig-
51 Württemberg erliess am 8. November 1816 eine «Generalver-
ordnung wegen der Fruchtheuerung», mit die Ausfuhrzölle für
bestimmte Nahrungsmittel erhöht wurden (Königlich-Württem-
bergisches Staats- und Regierungsblatt Nr. 51 vom 10.11.1816).
Für den Hinweis danke ich Lisa Weber vom Landesarchiv Baden
Württemberg.
52 Baden am 21. April 1817 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/
index.asp?id=6975&view=pdf&pn=tagungsberichte&type=tagun
gsberichte).
53 «Königliche Verordnung, die Anordnung einer allgemeinen
Fruchtsperre betreffend» vom 7. Mai 1817 (Königlich-Württem-
bergischen Staats- und Regierungsblatt Nr. 30 vom 10. Mai 1817).
54 Specker, Heimsuchung, 1995, S. 28 und S. 33 f.
55 Verordnungen vom 26. November 1816 betreffend Verbot wegen
Aufkauf und Vorkauf von Lebensmitteln aller Art sowie Verord-
nung vom 4. Dezember 1816 gegen wucherischen Vorkauf von
Früchten; St. Gallisches Kantonsblatt 1816, S. 414 ff. beziehungs-
weise S. 443 ff.
56 Staatsarchiv Graubünden, Chur (im Folgenden: CH STA GR) STG
XV 8d/39. Schreiben des Kleinen Rats vom 22. Juli 1816.
57 Der Erlass ist in der gedruckten Sammlung nicht vorhanden, im
Kreisschreiben vom 26. September 1816 wird aber darauf Bezug
genommen; vgl. CH STA GR STG XV 8d/40.
58 Die Ausfuhrverbote galten aufgrund der Bundesverfassung nicht
für Schweizer und im Kanton wohnhafte Personen.
59 CHSTA GR D V/3.097.012.
60 CH STA GR D V/3.097.019, Publikation des Kleinen Rats vom
29. April 1817.
61 CHSTA GR D V/3.093.014.
62 LILA AV 2/4, Nr. 1817/159. Eintrag im Exhibitenprotokoll unterm
8. Juni 1817.
63 Chronologischer Auszug der von dem kais. kón. Landesguber-
nium in Tirol und Vorarlberg «vom 1. Jánner bis letzten Decem-
ber 1816 bekannt gemachten Verordnungen». Gubernial-Circular
vom 14.2.1816, AT VLA Patente, Sch. 13.
64 Ebenda.
65 AT VLA 14-085 Patente, Sch. 13.
66 Schàdler, Hungerjahr, S. 11. Ich bedanke mich bei Manfred
Tschaikner für die Hinweise über die im Vorarlberger Landes-
archiv vorhandenen Akten.
67 AT VLA 14-085 Patente, Sch. 13.
68 LILA RB L3/1817, Umlaufschreiben an die Gemeinden.
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