Volltext: Jahrbuch (2017) (116)

lateinischen Wort «runcare», was so viel wie «roden» be- 
deutet. Dieser Name entspricht auch dem Gemeindena- 
men Ruggell im Liechtensteiner Unterland, ebenso der 
Flur Runkels in Triesen, aber auch etwa dem Gemeinde- 
namen Raggal in Vorarlberg. Der Name Iratetsch, abge- 
leitet vom ratoromanischen Wort «rutitsch», bezeichnet 
einen neu aufgebrochenen Acker. Auch dieser Flurname 
findet sich, zum Teil in den Formulierungen Raditsch 
oder Ratitsch, mehrfach in der Region. Fiir Rodungsvor- 
gänge und neu kultivierte Wiesen und Acker in Vaduz 
stehen auch die Flurnamen Riitti, Neuguet und Neufeld 
(vgl. S. 19). 
Der Autor betont zu recht die jahrhundertealte Be- 
deutung des Kirchspiels (heute: Pfarrei) als Rechtsper- 
sönlichkeit: Schaan war rechtlich bis 1873 die Mutter- 
pfarrei für Vaduz. Neben Vaduz umfasste das Kirchspiel 
Schaan auch Planken (bis heute) sowie den nördlichen 
Teil von Triesenberg (bis 1767). In wirtschaftlicher Hin- 
sicht bildete das Kirchspiel ebenfalls eine Einheit. Die 
einzelnen Nachbarschaften (Dörfer) innerhalb des Kirch- 
spiels bewirtschafteten grosse Teile des landwirtschaftli- 
chen Bodens gemeinsam. Auch diese Nutzung wurde in 
der Regel vertraglich geregelt. Im 16. Jahrhundert ver- 
einbarte Holzordnungen belegen zum Beispiel, dass die 
Wälder von den Dörfern Schaan und Vaduz gemeinsam 
genutzt wurden (vgl. S. 23). 
Oft kam es zwischen den Dórfern zu Nutzungskon- 
flikten, die vertraglich geschlichtet werden mussten. In- 
folge des Bevólkerungswachstums hàáuften sich im 
18. Jahrhundert solche Konflikte. Die Dórfer waren ge- 
nossenschaftlich organisiert. Die Mitglieder der Dorf- 
genossenschaft — in der Regel die einzelnen Haushalte — 
bewirtschafteten den gemeinsamen Boden, für sich 
selbst ebenso ein kleineres Stück Land, das ihnen zur 
Bewirtschaftung zugeteilt war. Schon um das Jahr 1600 
gab es 108 Móliholzteile, die der damaligen Anzahl 
Haushalte von Schaan und Vaduz entsprachen. 
Das erwáhnte Bevólkerungswachstum erzwang die 
Gründung neuer Haushalte, die indes auf die Zuteilung 
eines Stück Bodens oft jahrelang warten mussten. Einge- 
sessene Haushalte und ihre Familien stráubten sich oft 
dagegen, neue nutzungsberechtigte Haushalte zuzulas- 
sen (vgl. 9. 25-26). Vaduz záhlte im Jahr 1584 genau 57 
Haushalte, was etwa einer Zahl von 200 bis 300 Personen 
entsprach. Zahlte Vaduz 1718 bereits 83 Haushalte, so 
stieg deren Zahl bis 1789 auf 106 Wohnhäuser, was einer 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017 
Einwohnerzahl von 512 entsprach (vgl. S. 43). Damit 
stieg der Druck auf den Boden massiv an. Das führte ei- 
nerseits zu einer Aufteilung von bisher gemeinsam be- 
nutztem Boden zwischen Vaduz, Planken und Schaan, 
und andererseits zu einer Privatisierung von sich bislang 
in Gemeinbesitz befindlichem Boden. 
Die Bodenaufteilung zwischen Vaduz, Planken und 
Schaan führte 1797 zu den Gemeindegrenzen (mitsamt 
Exklaven), die dann 1951/52 nach einer weiteren Grenz- 
regulierung zwischen Schaan und Vaduz die heutige 
Form erhielten. Bedeutsam für die Landwirtschaft war 
die Teilung und Privatisierung in Vaduz von 1806. Für 
die nunmehr 154 Haushalte (und weiteren Personen) 
waren 186 45 Teile nahe bei den Hàusern ausgemessen 
worden, zusätzlich 184 44 Teile im Riet. Mit der Überfüh- 
rung dieses bisherigen Gemeinbesitzes an eigenverant- 
wortlich wirtschaftende Bauern wurde ein beträchtlicher 
Teil des Landwirtschaftsbodens privatisiert. Man ver- 
sprach sich davon eine dringend gewünschte Steigerung 
der Erträge, zumal sich Land und Gemeinden nur knapp 
selbst ernähren konnten (vgl. S. 63 und 81). 
Alois Ospelt differenziert genau zwischen verschie- 
denen Eigentumsformen. Vaduz, seit dem Spätmittel- 
alter Sitz des jeweiligen Landesherrn, verfiigte namlich 
auch über ein beträchtliches Ausmass an Herreneigen- 
tum, womit das Figentum der Landesherrschaft gemeint 
war (vgl. S. 48-49). Heute noch gut sichtbares Herren- 
eigentum in Vaduz ist der grosse Weingarten, auch 
Bock-Wingert genannt, der zwischen der Feldstrasse 
und der Egerta gelegen ist. Die Bevölkerung musste zu- 
dem bis 1848 verschiedene Abgaben und Frondienste an 
die Landesherrschaft leisten (vgl. S. 55-57). 
Die Landwirtschaft blieb in Vaduz von grosser Be- 
deutung bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts. Als 
während der beiden Weltkriege die Lebensmittel in Va- 
duz knapper wurden als in anderen Gemeinden des 
Landes, entschloss sich Vaduz zum Rückkauf von land- 
wirtschaftlichem Boden im Vaduzer Riet. In Gemein- 
besitz geblieben waren gróssere Waldstücke, der nicht 
privatisierte Allmendboden rund um die Spoerry-Fabrik 
im Ebaholz sowie die Rheinauen zwischen Binnen- und 
Rheindamm (vgl. S. 71—2). Vaduzer Bürger waren 1862 
federführend gewesen bei der Gründung des ersten 
Landwirtschaftlichen Vereins in Liechtenstein (S. 84-86). 
Ingenieur Karl Schädler, Ehrenbürger von Vaduz, ver- 
machte zudem 1904 der Gemeinde ein grosses Grund- 
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