Volltext: Jahrbuch (2017) (116)

Teuerung bei den Lebensmitteln 
Die katastrophalen Missernten führten ab Mai 1816 zu 
einem raschen Anstieg der Lebensmittelpreise. Im Juni 
1817 erreichten sie den Höchststand, danach fielen sie 
dank einer guten Ernte wieder rasch. In der Stadt St. Gal- 
len hatten sich die Getreidepreise vor der Ernte 1817 ver- 
vierfacht, in Lichtensteig verfünffacht und in Rorschach 
versechsfacht.“ Nach Albert Schädler stiegen sie in der 
Region Liechtenstein / Vorarlberg noch bedeutend stär- 
ker: Gemäss seinen Erhebungen verteuerten sich von 
1811 bis 1817 Kartoffeln um 1200 Prozent, Korn und Tür- 
ken um 800 Prozent, Gerste um 750 Prozent, Brot um 
500 Prozent, Käse um 360 Prozent, Wein um 250 Prozent, 
Butter um 235 Prozent und Kuhfleisch um 175 Prozent.” 
Diese Zahlen zeigen, dass die Teuerung bei den unver- 
zichtbaren Grundnahrungsmitteln am grössten war. 
Die Zahlen von Schädler beruhen zu einem erheb- 
lichen Teil auf Angaben aus Vorarlberg. Für Liechten- 
stein können am ehesten die Verkaufspreise von Türken 
und Spelz (Dinkel) in den obrigkeitlichen Rentamts- 
büchern? als Indikatoren für die Preisentwicklung die- 
nen (Grafik 4). Nach diesen Zahlen ist der Preis von Tür- 
ken 1817 auf das Dreieinhalbfache gestiegen, der Preis 
für Dinkel auf das Zehnfache.“ 
Die Teuerung war für die meisten Leute das grôsste 
Problem. Betroffen waren vor allem jene, die keine oder 
wenig eigene Ackerprodukte anbauten, einen fixen Lohn 
erhielten und ihre Nahrung kaufen mussten, wie zum 
Beispiel unselbständige Gehilfen. Arme Leute konnten 
es sich nicht mehr leisten, die dringend benôtigten 
Grundnahrungsmittel zu kaufen. 
Die Teuerung konnte aber auch Leute aus dem Mittel- 
stand existenzgefährdend treffen. So erinnerte sich der 
nach Amerika ausgewanderte Alois Rheinberger in ei- 
nem Brief an seine Tante Emma Rheinberger, dass der 
Adlerwirt Johann Rheinberger (1792-1844) beinahe 
Bankrott ging: «Mein Onkel Johan Rheinberger Adler 
gieng in den Jahren 1816—1817 wirtschaftlich beinahe zu 
Grunde. ... Seine Schwester, meine liebe Tante Theres* 
hielt ihn mit ihrem Vermógen aufrecht und er wurde wieder 
ein reicher Mann.»'** Als Grund gab er an, dass sein Onkel 
Weinberge bewirtschaftete, dafür Lóhne zahlen musste, 
aber kaum einen Erlós erzielte. 
Die Teuerung war für viele Zeitgenossen, die den 
Hunger glücklich überlebten, eine einschneidende Le- 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017 
benserfahrung. Sie wird in vielen Gedenktafeln themati- 
siert. Auch dem bereits zitierten Eschner Chronisten 
blieb von 1816/17 vor allem die Teuerung in Erinnerung; 
«In diesem Jahr wurde dass Korn theur. Schon im Christ- 
monat gilt das Malter" Kernen in Bregentz 50 fl. Es wurde 
immer theurer. 1817 im Brahmonath?? eilt dass Mallter 
108 fl, dass Viertel? Türcken 10 Gulden in Feldkirch und 
dass Viertel Kernen 14 Gulden. Dass Brod wurde klein, um 
2 xr und um 4 xr gibt es bey den Becken keines mehr, um 
6 Kreutzer war es so klein als es bey Mittel müssiger Theu- 
rung um 1 Kreutzer [war]. Dass Stück Erdäpfl gild 2 Kreut- 
zer. Weill aber das 1817 Jahr ein zimlich guttes Jahr ware, 
wo alles schón vor Augen ist, so wurde es nach und nach 
wider wolfeiler, so dass man dass Viertel Kernen im August 
um 6 Gulden kaufen kann.»? 
Ausfuhrsperren für Lebensmittel 
Als sich im Spätsommer 1816 eine schlechte Ernte 
abzeichnete, reagierten die Regierungen mit Handels- 
hindernissen und Massnahmen gegen den Wucher. In 
Süddeutschland, wo die Handelsfreiheit zunächst hoch- 
gehalten wurde, erhöhte man im Herbst 1816 die Aus- 
36 AT HALW HKW 5272/1817. 
37  Vermerk: «Serenissimo zur Kentnissnehmung». 
38. ATHALW HKW 5272/1817. Siehe dazu auch Quaderer, Geschichte, 
S. 41. 
39  LILA RB R5/1817. 
40  Ebenda. 
41  Krámer, Menschen, S. 301. 
42  Schàdler, Hungerjahr, S. 17. 
43  LILA AS 8/51, Rentamtsbücher, Einnahmen. 
44 Es sind jeweils die Hóchstpreise im entsprechenden Jahr erfasst. 
Beim Dinkel dürfte die Angabe in Prozent die tatsáchliche Ent- 
wicklung etwas verfálschen. Einerseits war der Preis 1811 beson- 
ders tief, so dass die prozentuale Teuerung sehr hoch ausfällt. 
Der Dinkel erreichte erst Anfang 1818 den Höchststand, was auf 
einen einzelnen Kauf zurückzuführen sein könnte. Für 1816 ist in 
den Rentrechnungen keine Angabe für Dinkel und 1818 keine für 
Türken enthalten. 
45 Franziska Theresia Rheinberger. 
46 LI LA Archiv der Familie Rheinberger (AFRh) Ha 17/17. Alois 
Rheinberger an Emma Rheinberger, Dezember 1810. Zitiert nach: 
www.e-archiv.li/D48674; aufgerufen am 28. Februar 2017. 
47 1 Malter = circa 2 Hektoliter. 
48 Brachmonat: Juni. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Teuerung im 
Hungerjahr 1816/17 ihren Höhepunkt. 
49 1 Viertel = circa 25 Liter. 
50 GAE «Kronik» 1799-1830, o. S. 
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