miejahr den Architekturprofessor Thiersch, dem ein Brun-
nenentwurf Egon Rheinbergers so gut gefiel, dass er ihn
zur Ausführung empfahl. Von einem anderen Lehrer
erfuhr sie, dass Egon eine ausgezeichnete Stilkenntnis für
die Gotik habe.” Nach dem Tode Fannys am 31. Dezem-
ber 1892 übernahm Onkel Josef Gabriel die Aufgabe, sich
um den Neffen zu kümmern. Dem Vielbeschäftigten
stand jedoch nicht so viel Zeit zur Verfügung wie ehedem
Fanny. Am 8. Juni 1893 schrieb Josef Gabriel Rheinberger
seinem Bruder Peter, den kranken Vater Egons:
«Ich habe mit Professor Eberle wegen Egon gesprochen;
er ist sehr zufrieden mit seinem Fleisse und lobt auch seine
Begabung; seine Auffassung sei gut und rasch, aber in der
Durchführung der Arbeiten bleibe er oft stecken. Im Herbste
kommt er in die Komponirschule. Im Ganzen kónne man
jetzt schon behaupten, dass er tüchtig in seinem Berufe sein
würde. ...».9*
Doch scheint der Onkel nicht so überzeugt von dem
künstlerischen Talent seines Neffen gewesen zu sein,
denn schon im Spátherbst desselben Jahres gab er nach
dem Tode Hauptmann Rheinbergers in einem Brief an
Olga den Rat, Egon sollte Steinmetz werden, um einen
festen Boden unter den Füssen zu haben:
«Egon hat mich besucht, aber bei seiner bekannten
Schweigsamkeit so gut wie nichts erzihlt, und wenn man
so mithsam jedes Wort herausfragen muss, so ist das eben
doch sehr umständlich. Für ihn halte ich es fiir viel prakti-
scher, wenn er die kunstgewerbliche Seite seines Mettiers
pflegen wiirde, zum Beispiel ein Jahr lang bei einem feinern
Steinmetzen arbeiten würde, um Grabmonumente, Altüre,
Portale, Figuren usw. [zu machen], denn ein Künstler heut-
zutage, der nicht gerade ein Genie ist und Glück hat, kann
jederzeit wegen Mangel an Bestellungen zu Grunde ge-
hen.»?7
Egon Rheinberger mit seiner Frau Maria Schàdler, verheiratete Rheinberger (1883-1988), und den gemeinsamen Kindern (von links) Hans, Peter
und Rudolf.
182
^ A J F
=
LS E - H
ee qi te rn
ML EM
Rheinberger Rudolf: Notizen zur Geschichte der Familien Rheinberger in Vaduz