Der liechtensteinische Scharfschützenzug war also am
13. September 1849 von der badischen Excursion in die
Heimat zurückgekehrt und alle Mitglieder bis auf die
wenigen Garnisonsangehörigen wurden beurlaubt.
Rheinberger blieb in Vaduz als diensthabender Leutnant
der Garnison. Er erhielt, wie alle andren Teilnehmer am
Feldzug, die vom Grossherzog von Baden gestiftete Er-
innerungsmedaille.'® Sein Betätigungsfeld als Leutnant
war aber während der folgenden Zeit für ihn nicht be-
friedigend. Es bestand zur Hauptsache in der Ausbil-
dung der Rekruten, was dem strebsamen jungen Mann
keineswegs genügte. Er nahm daher daneben jede Gele-
genheit wahr, sich in jenen Gebieten weiter auszubilden,
die ihn am meisten interessierten. Besonders betrieb er
technisch praktische Arbeiten: Vermessen, Nivellieren
und Mithilfe bei Entwässerungsarbeiten.'*“ Daneben
ging er fleissig auf die Jagd.
Um seine Kenntnisse in der Ingenieurkunde zu er-
weitern und zu vertiefen, entschloss er sich schliesslich
noch zu einem höheren Studium, das er 1855/56 an der
königlich-bayerischen polytechnischen Schule in Mün-
chen absolvierte. Dort hörte er die Vorlesungen über
Strassen-, Brücken- und Wasserbau, ferner über Civil-
bau. Dazu nahm er an den «Übungen im Construieren
und Entwerfen von Ingenieur-Bauwerken» teil. Der Rek-
tor bescheinigte ihm in seinem Abgangszeugnis «vor-
züglichen Fleiss und Fortgang».!5
Die Briefe aus Peter Rheinbergers Münchener Zeit
lassen erkennen, dass ihm das Studium am Polytechni-
kum keine grossen Schwierigkeiten bereitete. Er konnte,
dank seiner theoretischen und praktischen Vorbildung,
allen Vorlesungen mühelos folgen. Seine Vorlesungs-
hefte aus dieser Zeit, die heute noch alle erhalten sind,
sind musterhaft und sauber geführt.!“
Peter Rheinberger hatte sich in München in derselben
Pension (bei Perstenfeld) eingemietet, in der schon sein
jüngerer Bruder Josef Gabriel seit mehreren Jahren
wohnte. Die beiden Brüder, die einander schon früher,
wie auch in späteren Jahren herzlich zugetan waren,
führten in dieser Zeit zusammen ein brüderlich verbun-
denes Leben. Beide waren untertags voll beschäftigt,
verbrachten aber alle ihre freien Stunden zusammen.
Ein paar Stellen aus Briefen Peter Rheinbergers nach Va-
duz sollen hier noch Platz finden. Am 1. Oktober 1855
schrieb er nach seiner Ankunft in München an seinen
Vater:
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017
«Montag abends 6 V» Uhr kam ich glücklich mit einem
langweiligen Güterzug, der von Lindau aus 12 V2 Stunden
brauchte, hier an. Josef, der zur Zeit meiner Ankunft im
Museum war, erwartete mich dorten. Er hat ziemlich ge-
wachsen; in seinen Winterrock eingehüllt, seinem Zylinder
und seinen langen Künstlerhaaren à la fliegende Blätter,
hütte ich ihn so leicht nicht erkannt. Er erüsste mich zuerst
— ich stund, und schaute den Unbekannten mit der
Basstimme an und ich erkannte erst beim Schein einer
Lampe das Gesicht meines Bruders. Mein Sommerrock, der
mir etwas zu klein war, passt ihm wie angemessen, was ihn
nicht wenig freute. Seine Künstlerhaare aber sind auf meine
Veranlassung etwas kürzer geworden ...»!*
Unter dem 23. Dezember 1855 heisst es: «Dem Josef
geht's gut. Pepi komponiert, spielt Klavier, gibt «a bez»
Unterricht oder begleitet einige Gráfinnen am Klavier,
was weiss ich ... raucht, schnupft immer und ist schon
langst den Jahren entwachsen, um sich von mir hofmeis-
tern zu lassen; denn er ist ohne Zylinder 5 Fuss 3 % Zoll
Wiener Mass hoch (167 cm), was freilich auch in An-
schlag zu bringen ist.»
Die Rheineinbrüche in Liechtenstein von 1846 und
1855 erlebte Peter Rheinberger selbst vor Ort. Sein Vater
hatte schon durch mehrere Dezennien hindurch die
ganzen Wuhrbauten am Rhein unter sich gehabt. Dies
alles mag Peter Rheinberger nun in Vaduz bewogen ha-
ben, sein Augenmerk besonders auf die Bekämpfung
der grossen Gefahren, die dem Lande immer wieder
von Seiten des Rheins drohten, zu wenden. Dies hatte
ihn wohl auch dazu motiviert, in München die Vorle-
sungen über Wasserbau unter allen Umständen noch zu
hören.
Als er dann im Jahre 1856 von München zurückkam,
galt es, die erworbenen theoretischen Kenntnisse weiter
praktisch zu unterbauen. Zunächst arbeitete er vom
140 Siehe Rheinberger, Wilhelm Schlegel 1992, S. 172.
141 Menzinger, 1913, S. 31-53.
142 Quaderer-Vogt, Militargeschichte 1991, S. 233-246.
143 LILA AFRh H 6.
144 Die Landvermessung und die Entwásserung fielen in den amtli-
chen Kompetenzbereich seines Vaters als Rentmeister.
145 LILA AFRh H 2, Zeugnis vom 5. Juli 1856.
146 LILA AFRh H, Zeugnisse und Unterlagen aus der Ausbildungszeit.
147 LILA AFRh H, private Korrespondenz.
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