Volltext: Jahrbuch (2017) (116)

gerrechtseinkauf (damals 25 000 — 40 000 Franken) sowie 
eine positive Einbürgerungsabstimmung in einer Ge- 
meinde.” 
Eingebürgert wurde Salamay in Frankreich vorerst 
nicht. 1962 erhielt er wenigstens eine Bestätigung, dass 
er als staatenloser ukrainischer Flüchtling gemäss Genfer 
Konvention registriert war. 1964 wurde seine Einbürge- 
rungsangelegenheit wieder aufgenommen. Neue be- 
hôrdliche und polizeiliche Abklärungen folgten. Festge- 
stellt wurde: Es liege seit dem ersten Gesuch nichts Un- 
günstiges vor, auch politisch nicht, seit seiner Ankunft in 
Frankreich arbeite er, er besitze ein Haus, seine vier min- 
derjährigen französischen Kinder besuchten die franzö- 
sischen Schulen, und er erkläre, Frankreich sei nun 
«seine wirkliche Heimat» («sa véritable patrie»).” 
Jetzt, 1965, erhielt Joseph Salamay schliesslich die 
französische Staatsbürgerschaft, zehn Jahre nach dem 
ersten Gesuch. Damit hatte die Familie nun ein einheitli- 
ches Staatsbürgerrecht. 
In den 1970er-Jahren interessierte sich Joseph Sala- 
may für Esperanto, abonnierte die UNESCO-Zeitschrift, 
wurde Anhänger des von Jacques Chirac gegründeten 
RPR («Rassemblement pour la Republique»), bürgerlich, 
konservativ, gaullistisch. 
Die vier Kinder lernten, studierten und ergriffen ver- 
schiedene Berufe. Ukrainisch lernten sie nicht. Der Sohn 
Paul Salamay erwarb, nach Abenteuerreisen in den spä- 
ten 1960er-Jahren, unter anderem ein Doktorat in Sozio- 
logie, er wurde hoher Beamter im Bereich der Wirtschaft 
und der Beschäftigung. Seit seiner Pensionierung 2012 
nahm Paul die Arbeit an der Genealogie seiner Familie — 
mütterlicherseits Lichtenberg, väterlicherseits Salamay — 
wieder auf. Besonders intensiv war die Suche nach der 
Geschichte seines Vaters.” 
Die Brüder Salamaj hatten freilich Jahrzehnte zuvor, 
unabhängig voneinander, schon Versuche unternom- 
men, Lebenszeichen voneinander zu finden. 
Suche der Brüder über den Eisernen Vorhang 
Brief an Yuri 1947 
Josef Salamaj hatte 1947 einen Brief an den daheim ge- 
bliebenen jüngeren Bruder Yuri gesandt, unterwegs von 
einem Hotel aus, in Liechtenstein oder in Paris. Der Brief 
erreichte Yuri. Aber er konnte ihn nicht beantworten. 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017 
Yuris Anfragen beim Sowjetischen Roten Kreuz ab 1969 
Yuri Salamaj lebte nun in Zbaraz im Westen der Sowjet- 
republik Ukraine, samt Eltern, Schwester und weiteren 
Verwandten. Davon wusste Joseph Salamay in Frank- 
reich nichts. 25 Jahre waren vergangen, als Yuri 1969 — 
die betagten Eltern lebten noch — ans Sowjetische Rote 
Kreuz gelangte. Er ersuchte es, nach seinen beiden Brü- 
dern Vladimir Salamaj, geboren 1921, und Josef Salamaj, 
geboren 1924, zu suchen: Die beiden hátten in Jaroslaw 
gelebt, sie seien, als die siegreiche sowjetische Armee 
1944 die deutschen Besatzer vertrieben habe, nach Wes- 
ten deplaziert worden, von Vladimir habe er nichts mehr 
gehórt, Josef aber habe Yuri 1947 von einem Hotel an ei- 
nem unbekannten Ort einen Brief geschrieben, seither 
habe er auch von ihm nichts mehr gehórt. Yuri ersuchte 
darum, bei den auslándischen Rotkreuzgesellschaften 
nachzuforschen, auch in Frankreich, England und Ame- 
rika, er werde alle Ausgaben übernehmen. Er erhielt 
keine Antwort. 
Yuri gab nicht auf. Acht Jahre spáter gelangte er 1977 
mit dem gleichen Ansuchen erneut ans Sowjetische Rote 
Kreuz. Diesmal antwortete es dem «Kameraden Yuri» 
nach nur drei Wochen knapp aus Moskau, die Recherchen 
hátten keine Ergebnisse gezeitigt. Als Yuri im selben Jahr 
nochmals insistierte, beschied man ihn, man habe über 
den Verbleib der Brüder nichts herausgefunden, trotz Re- 
cherchen, die 1970 auch in Frankreich, England und Ame- 
rika geführt worden seien. Von einer weiteren nutzlosen 
Anfrage rate man ab. Es war noch Kalter Krieg, Bresch- 
new-Zeit, wenn auch Entspannung begonnen hatte. 
Offenbar hatten sowjetische Stellen in der Tat in den 
1970er-Jahren Josef Salamay in Frankreich kontaktiert — 
dies erzählte er später jedenfalls seinem Sohn — aber 
ohne irgendwelche Folge.” 
71 Paul Salamay: Genealogie (Ms.). 
72  PaulSalamay: Généalogie (Ms.), S. 304. — Schriftliche Mitteilungen 
von Paul Salamay an Peter Geiger (Dezember 2016). — Wikipedia- 
Artikel: «Thomson-CSF». 
73  PaulSalamay: Généalogie (Ms.), S. 294. 
74  Ebenda, S. 295, 300. 
75 Veronika Marxer: Vom Bürgerrechtskauf zur Integration. Einbür- 
gerungsnormen und Einbürgerungspraxis in Liechtenstein 1945— 
2008. Vaduz, Zürich, 2012, hier S. 53-60. 
76 | Paul Salamay: Généalogie (Ms.), S. 300. 
77  PaulSalamay: Généalogie (Ms.). 
78  PaulSalamay: Généalogie (Ms.), S. 304. 
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