Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

79 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 113, 
2014 
der Liechtensteiner, die nach dem Wort des Wanderers die Krone trugen und friedvoll über das kleine Reich am Oberrhein herrschten.1 Die soeben zitierte Variante der Sage vom lichten Stein gibt weder Auskunft über die Vorgeschichte noch über das weitere Schicksal des Steins. Wir erfahren folglich nichts darüber, woher dieser Stein gekommen ist, noch darüber, was mit dem Stein danach geschehen ist. Es kann indes angenommen werden, dass ein ge- wisser Hugo von Liechtenstein in den Jahren 1135 und 1136 die Festung Liechtenstein in Maria Enzersdorf in Niederösterreich, südlich von Wien, erbauen liess. Als Baumaterial dienten dabei wirklich lichte (das heisst helle) Steine, die aus dem Burgenland herantransportiert wurden. Diese Information liefert die historische Grund- lage für die Deutung des geografischen Namens «Liech- tenstein», welcher seit 1719 als Bezeichnung für das Fürstentum dient. Grundlage der Sage, die um die Mitte des 19. Jahrhun- derts ihre klaren Konturen gewonnen hat, ist das alte indoeuropäische Sujet, demgemäss ein Stein vom Him- mel fiel, wohl ein Meteorit. Im deutschsprachigen Raum gibt es mehrere Varianten der Sage, die es erlauben, die Entstehungsgeschichte vollständig zu verfolgen. Dabei wurde der Sagentext an die Bedürfnisse der liechten- steinischen Monarchie angepasst. Hans-Friedrich Walser thematisierte 1948 in seinem Buch «Liechtensteiner Sagen aus Berg und Tal» erstmals das Sujet über die himmlische Herkunft des Steins.2 
Es kommt hier vor im Beitrag «Die Sage derer von Liech- tenstein». Es ist dies ein stilisiertes Lied mit einem Vor- spiel, welches auf die uralte Vorgeschichte («Vorzeit») des in der Sage mitgeteilten Ereignisses verweist. Ein Wanderer beobachtete als Augenzeuge das Hinunter- fallen des Steins vom 
Himmel: Ein Wand’rer ging im Sternenschimmer Durch die nächtlich stille Flur, Hat’ kein Aug’ für irdisch Dinge Sah des Himmels Funkeln nur. Da blitzt es auf im Lichtermeere Ein Fanal am Himmelszelt Zog hernieder auf die Erde Wie ein Gruss aus ferner Welt.Ein 
Funkeln wie von Rubinsteinen Glänzend dem Demanten gleich Leuchtend flog der fremde Bote In das irdisch Menschenreich. Es ist vorbei, das schöne Wunder Staunen zittert in ihm nach; Bracht der Stein wohl eine Kunde? Kommt er wieder an den Tag? Weiters folgt eine Beschreibung des Ereignisses der Stein- entdeckung, in Verbindung mit der Prophezeihung. Es ist der Wanderer selbst, der die Prophezeihung aus- spricht, die als Kernelement der eigentlichen «Sage» be- trachtet werden 
kann: Pflügt ein Bauer seine Scholle Dessen Stirne trieft von Schweiss; Eine wilde Reiterhorde Trat mit Hohn den stillen Fleiss. Gottergeben senkt der Bauer Seinen Blick zur Erde nur Will von neuem wieder pflügen Seine hartzertret’ne Flur. Sieht er ein gar seltsam Blitzen Zwischen Erde und Gestein, Dort hat wohl ein Huf geschlissen Einen sonderbaren Stein. Und er bückt sich, ihn zu heben Schaut als Spielzeug diesen an Als zum Bauer auf dem Felde Ein Wanderer gezogen kam. Schaut den Stein in seinen Händen Blickt versonnen darauf hin, Spricht: Hier liegt die Schicksalswende, Deine ferne Zukunft drin. 1  Zitiert nach: Liechtensteiner Sagen. Neu erzählt von Dino Larese. Mit einem Nachwort von Herbert Hilbe. Unveränderter Nach- druck. Triesen, 2004. S. 7. 2  Der Zeitpunkt dieser Veröffentlichung scheint kein Zufall zu sein, denn zehn Jahre zuvor, 1938, hatte Franz Josef II. Schloss Vaduz zu seiner ständigen Residenz gemacht.
	        

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