Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

42 Sonderegger Stefan: Das Liechtensteinische Urkundenbuch digital, Teil 
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der sich im äusseren Bereich einer Siedlung befand.35 Die Siedlung im inneren Bereich umfasste die Hofeinheiten; diese bestanden meistens aus Haus und Garten, hier überwog die so genannte Individualnutzung mit grös- seren Freiheiten für den Einzelnen. Zur Eskalation von Konflikten kam es oft, wenn eine Partei Kollektivnutzungsland für sich ausschied und mit Zäunen einhegte. Solche Einschläge wurden sowohl von Einzelpersonen als auch von Dorfgenossenschaften ge- macht. Am 6. August 1476 hatten Wolfhart und Ulrich von Brandis zwischen Maienfeld und Fläsch einen Streit um Weide-, Wasser- und Holznutzungsrechte im Gebiet der St. Luzisteig zu entscheiden. Der Streit entzündete sich «von verbannen und fridens wegen daselbz in Holtz und Velde . . . über die Staig nider zwischent baiden Ber- gen an jedwedrer Siten hinab». Das Gebiet um die St. Lu- zisteig diente offenbar beiden Gemeinden als Allmende und zur Holznutzung. Dem widersprach aber, dass so- wohl im Wald («Holtz») als auch im offenen Feld Land- stücke eingezäunt («friden») und damit der Zugang zu diesen Böden den Angehörigen der je anderen Dorfge- nossenschaft verwehrt wurde («bannen»).36 
Solche Kon- flikte zwischen Gemeinden um Weideressourcen gab es im 15. und 16. Jahrhundert im Rheintal oft, und zwar sowohl in der Rheinebene als auch in den Hanglagen.37 Die hohe Bedeutung des Waldes für die ländliche Ge- sellschaft beschränkte sich nicht nur auf die Weidenut- zung, sondern betraf auch den Holzbedarf. Viele land- wirtschaftliche Gerätschaften bestanden teils aus Holz, Zäune waren aus Holz, und in Weinbaugebieten wie dem St. Galler Rheintal wurden grosse Mengen an Rebstecken gebraucht, um die Reben daran hochzuziehen. Am grössten dürfte aber der Brennholzverbrauch gewesen sein. Holz war eine unverzichtbare Energie- quelle, vergleichbar mit Gas, elektrischer Energie und Rohöl in der heutigen Zeit. Dabei bestand ein hoher und anhaltender Bedarf im Haushalt, nämlich zum Kochen und Heizen. Schätzungen gehen davon aus, dass der durchschnittliche tägliche Verbrauch eines Menschen in Europa 2 bis 4 kg pro Person ausmachte. Im wärmeren Süden war der Bedarf geringer als im Norden, in den italienischen Ebenen betrug er etwa 1 kg pro Person, in Schweden oder Finnland 7 bis 8 kg pro Person.38 
Die Sorge um den zu hohen Brennholzverbrauch bringen beispielsweise frühe Waldordnungen wie jene Bern- hardzells (nordwestlich von St. Gallen) von 1496 zum 
Ausdruck: Diese legte fest, dass in einem Haus nur ein Kochherd und ein Stubenofen befeuert werden durf- ten.39 Auch wenn mehrere Parteien das gleiche Haus be- wohnten, hatten sie dieselbe Wärmequelle zu verwen- den, um Energie zu sparen. Eine besondere und intensive sowie mit Gefahren verbundene Brennholznutzung war die Köhlerei. Holz- kohle war von Gewerben wie Kalkbrennerei, Töpferei, Glasverhüttung und Schmieden begehrt. Die Köhlerei wurde meist im Wald selber oder in dessen Nähe betrie- ben, was mit der Gefahr von Waldbränden verbunden war. Die Köhlerei und das Kalkbrennen wurden oft stark eingeschränkt oder ganz verboten; an der St. Luzisteig wurde das Kohle- und Kalkbrennen gemäss Entscheid des erwähnten Konflikts zwischen Maienfeld und Fläsch vom 6. August 1476 dennoch weiterhin toleriert, sofern die Herrschaft informiert wurde und diese es erlaubte. Ein Streit zwischen Schaan und Triesen vom 1. Mai 1516 macht auf das Problem der zu starken Belastung des Waldes durch Mehrfachnutzungen aufmerksam.40 Die Herrschaft selber behielt sich im Schiedsspruch das Recht vor, im umstrittenen Waldgebiet die Köhlerei zu betreiben und gleichzeitig das Vieh dort zu weiden. Ent- gegen diesem Fall eines herrschaftlichen Anspruchs auf Köhlerei und Beweidung war es üblich, jene Gebiete, in denen gekohlt wurde, nach Abschluss der Köhlerei zu bannen, damit sich der Wald regenerieren konnte. Wurde nach der Köhlerei kein Bann verhängt, bestand die Gefahr der Übernutzung des Waldes mit schädlichen Folgen für alle Nutzungsberechtigten, also für Herren und Bauern, auf längere Zeit. Sehr restriktiv wurde die Erteilung von Schlagrechten für Bauholz gehandhabt. Bäume, die sich dafür eignen, müssen höheren Qualitätsansprüchen als Brennholz ent- sprechen. Dieses Angebot war beschränkt, weshalb die Bauholznutzung explizit von der Herrschaft oder von den Gemeindegenossen bewilligt werden musste, wie dies in der Urkunde vom 28. Juni 1425 zum Ausdruck kommt. In der Schlichtung von Nutzungsstreitigkeiten zwischen den Gemeinden Mauren einerseits und Eschen und Bendern andererseits wurde vereinbart, dass die Bewohner von Eschen und Bendern sowie ihre Nach- kommen im Tannwald von Mauren bei ausgewiesenem Bedarf Bauholz schlagen durften. Allerdings mussten sie dazu die explizite Einwilligung der in der Kirche ver- sammelten Gemeinde von Mauren erhalten.
	        

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