Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

145 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 113, 
2014 
Platzgerangel in der Mitte Mehr und neue Parteien: Das bedeutete und bedeutet weniger Platz, neue Konkurrenz für die «alten» Parteien, insbesondere aber Stimmen- und Sitzverluste, in der Schweiz für SP, FDP und CVP in den letzten Jahrzehn- ten, in Liechtenstein seit 1993 für FBP und VU. Insbeson- dere die politische Mitte ist umworben: Als Mitteparteien verstehen sich in der Schweiz CVP, Freisinnige, Grünli- berale und BDP. Urs Altermatt zeigt, wie gerade die CVP in der Mitte ihre Position suchte, wie sie eine «Brücke» zwischen rechts und links bildete, wie sie in wechseln- den Allianzen mit Sozialdemokraten oder Freisinnigen erfolgreich Entscheidungen herbeiführte, wie sie dabei aber gerade ihr ursprünglich klares Zentrumsprofil ein- büsste und wie sich dies seit den 1970er Jahren in einem unaufhaltsam scheinenden Rückgang niederschlug: Lag der CVP-Wähleranteil beim Höhepunkt in den Natio- nalratswahlen 1963 bei 23,4 Prozent, sank er danach fast von Wahl zu Wahl, 1983 waren es noch 20,2 Prozent, 2003 noch 14,4 Prozent und 2011 gerade noch 12,3 Pro- zent, das war innert 40 Jahren annähernd eine Halbie- rung der CVP-Wählerstärke. Dem entspricht, dass die CVP nur noch einen Bundesratssitz hält. Abwärtstrends, wenn auch nicht im gleichen Ausmass, verzeichneten auch FDP und SP, während andererseits die SVP seit 2003 deutlich wählerstärkste Partei ist, 2011 erzielte sie 26,6 Prozent. Vergleicht man mit Liechtenstein, so zeigt sich, dass auch die beiden traditionell grossen Volksparteien FBP und VU durch den Einzug weiterer Parteien in den Landtag (FL seit 1993, DU 2013) zwar noch die Zweipar- teien-Koalition, aber nicht mehr den Zweiparteien-Land- tag – mit einer absoluten Mehrheitspartei und einer Minderheitspartei – aufrechterhalten können. Nach den Wahlen von 2013 setzt sich der 25-köpfige Landtag in Vaduz wie folgt zusammen: FBP 10, VU 8, DU 4, FL 3 Ab- geordnete. FBP und VU regieren in Koalition (das 2013 von der FL angemeldete Interesse an Regierungsbeteili- gung blieb ohne Erfolg). Die Landtags- und Regierungs- arbeit ist parteipolitisch gesehen schwieriger geworden, zwingt zugleich zu engerer Koalition der zwei 
Grossen.Alternative 
zum Dilemma der Mitte: Fusion? Altermatt analysiert für die CVP das «historische Di- lemma». Die CVP ist, anders als ehemals, nicht mehr spezifisch katholisch und konservativ profiliert. Doch nach wie vor wird sie fast nur von Katholiken gewählt, nichtkatholisch ist nur ein Zehntel ihrer Wählerschaft. Zugleich schrumpft die katholische Stammwählerschaft. Säkularisierung, religiöse Vielfalt und neue Parteien füh- ren zu Wählerwanderung. Als Wertepartei tritt die CVP für «christliche» Werte ein. Wahrgenommen wird sie als Partei der «bürgerlichen Mitte», mit Flügeln nach links und rechts, mit undeutlichem Profil. Die Ergebnisse der Mitteparteien bei den Nationalratswahlen von 2011 be- trachtend – FDP 15,1 Prozent, CVP 12,3 Prozent, BDP 5,4 Prozent, GLP 5,4 Prozent, zusammen für die Mitte- parteien 38,2 Prozent – kommt Altermatt zum Schluss, dass die CVP, wolle sie nicht zur Regionalpartei in ih- ren Stammlanden herabsinken, sich mit dem Gedanken einer «Fusion» befassen müsste. Mit wem? Theoretisch mit jeder der drei andern Mitteparteien, praktisch aber weder mit der FDP noch mit der GLP, sondern einzig mit der kleinen BDP, der «Bürgerlich-Demokratischen Partei». Fusion unter welchem Namen? Mit oder ohne das christliche «C»? Altermatts Buch ist 2012 erschienen, in der Zwischenzeit hat sich in Bundesbern gezeigt, dass die beiden Parteien CVP und BDP zwar Zusammenar- beit üben, aber vorerst eine Fusion scheuen. Und in Liechtenstein? Hier besteht ebenfalls ein ge- wisses historisches Dilemma der traditionellen, ehemals katholisch-konservativen FBP und VU, nämlich ebenso jenes des klaren Profils. Beide sind heute Volksparteien der bürgerlichen Mitte, mit undefinierten Flügeln nach links und rechts. Das konfessionelle Element wird nicht mehr betont. In der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Strassburg sind die zwei liechtenstei- nischen Vertreter – ein Abgeordneter der FBP und eine Abgeordnete der VU – in die Fraktion der «Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa» eingebunden (Stand 2014). In Liechtenstein selber steht eine Fusion einzelner Parteien nicht am Horizont. Anschrift des Autors PD Dr. Peter Geiger, Im obera Gamander 18, FL-9494 Schaan, E-Mail: geigerallstars@adon.li
	        

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