Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

137 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 113, 
2014 
lich zwei zu finden: «Umfang der liechtensteinischen Herrschaften 1590–1710» (S. 101) und «Verlust liechten- steinischer Ländereien 1919–1938» (S. 140). Leserfreund- lich sind die Zusammenfassungen, mit denen er jeweils ein Kapitel abschliesst. Wiederholt bedauert er das Fehlen von aggregierten Daten, was das Bearbeiten von bestimmten Fragestellun- gen erschwert oder verunmöglicht habe. Andererseits muss er sich fragen lassen, wieso er dort, wo es solche Daten gibt, diese nicht oder zu wenig genutzt hat. Ins- besondere hätte die Arbeit von Franz Kraetzl «Das Fürs- tentum Liechtenstein und der gesamte Fürst von und zu Liechtensteinsche Güterbesitz» (zuletzt erschienen in Brünn 1914, 8. Auflage) viel stärker ausgewertet werden können. Der fürstliche Forstrat Franz Kraetzl war ein eifriger Liechtenstein-Sammler: Zu jeder liechtensteini- schen Herrschaft hat er die Zahlen über die Grösse, die Bewirtschaftung, die Steuern, die Beamten, die Patro- nate, die Kirchen, die Gewerbe usw. erhoben. Ebenso hat er zu jeder Herrschaft eine kurze Geschichte verfasst, wo nachgelesen werden kann, welcher Fürst wann wel- che Herrschaft zu welchen Konditionen erworben hat. Rupert Quaderer erwähnt (Band 6 der Reihe, S. 206), dass 1919 Franz Wilhelm, damals Archivar des Hausar- chivs, eine «Erwerbungsgeschichte der fürstlich Liech- tenstein’schen Herrschaften und Güter im Gebiete des čechoslovakischen Staates» erstellt hat. Anhand dieser Daten wäre es ein leichtes gewesen, eine tabellarische Übersicht über den Erwerb der liechtensteinischen Güter zu geben, wie er dies für den Verlust (Tabelle 2, S. 140) gemacht hat. Die Zahlen hätten auch andere Auswertun- gen erlaubt. Die zweite hier zu besprechende Arbeit «Die Verwaltung der Herrschaften und Güter der Fürsten von Liechten- stein in den böhmischen Ländern von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1948» (S. 169–372) stammt von Mag. Jo- sef Löffler (Jahrgang 1980). Er schloss sein Studium 2007 ab und war von 2008 bis 2011 Mitarbeiter im Forschungs- projekt «Herrschaftsverwaltung in Niederösterreich» an der Uni Wien (Projektleiter Prof. Dr. Thomas Win- kelbauer, Mitglied der Tschechisch-Liechtensteinischen Historikerkommission). Mit der hier publizierten Arbeit promovierte er im Frühjahr 2014 (was aus der gedruck- ten Arbeit aber nicht hervorgeht). Die Voraussetzungen für Josef Löffler waren damit grundlegend anders als für 
Merki: Es war keine zeitlich befristete Auftragsarbeit, das heisst, er hatte und benötigte mehr Zeit als Merki. Er stützt seine Ausführungen fast durchgehend auf eigenes Quellenstudium und beschreitet weitgehend Neuland. Ausgewertet hat er vor allem Quellen im Hausarchiv der regierenden Fürsten von Liechtenstein, in kleinem Umfang auch im Mährischen Landesarchiv. Ein grosser Vorteil war für ihn, dass er nicht als Einzelkämpfer un- terwegs war, sondern in ein grösseres Forschungsprojekt integriert war. Dies erleichterte ihm jeweils, die Ergeb- nisse in einen Kontext zu stellen. Löffler zeichnet die Entwicklung der liechtensteini- schen Verwaltung vom frühen 18. bis Mitte des 20. Jahr- hunderts nach. Ein Charakteristikum ist auch hier der lange Untersuchungszeitraum (300 Jahre). In der Einlei- tung werden die theoretischen Grundlagen geschaffen und der Forschungsstand skizziert. Das zweite Kapitel enthält eine konzise Übersicht über die Entwicklung des liechtensteinischen Güterbesitzes – dabei liefert er auch eine tabellarische Übersicht über die Grösse und Nutzung der Güter im Jahr 1903, wobei er sich auf eine ältere Ausgabe von Kraetzl stützt. Positiv notiert habe ich auch, dass er kurz auf die sozialpolitischen und natio- nalistischen Motive der Bodenreform eingeht und dabei auch die eigentumsrechtlichen Fragen nicht ausklam- mert.1 Der Hauptteil der Untersuchung gilt der Darstellung und Analyse der fürstlichen Verwaltung. Das Inter- esse gilt – das wohl aufgrund des übergeordneten For- schungsprojekts – der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- derts, dem Löffler gut 100 Seiten seiner insgesamt 200 Seiten umfassenden Arbeit widmet. Er stützt sich in sei- nen Analysen vor allem auf die normativen Texte, also die Vorschriften für die Verwaltung. Er zeichnet die Organisation und Funktionen der verschiedenen Ver- waltungsbehörden (Hofkanzlei in Wien, Zentralbuchhal- tung in Butschowitz, Hauptkassa, Herrschaftsämter usw.) nach. Was die Rolle der Fürsten selber betrifft, so be- fassten sich einzelne (zum Beispiel Johann Adam I. und 1  Ich sehe es als klaren Mangel der ganzen Buchreihe, dass die Bodenreform nicht eigens thematisiert wird, sondern vorwiegend unter dem Aspekt Verletzung von (liechtensteinischen) Eigen- tumsrechten behandelt wird. Lediglich Löffler und Susanne Keller- Giger (Band 7 der Reihe, S. 102 ff.) stellen die Liechtenstein-Proble- matik wenigstens kurz in den Gesamtkontext der Bodenreform.
	        

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