Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

133 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 113, 
2014von 
tschechischer Seite als Bürger eines souveränen Staates anerkannt werden, wie dies alle anderen Staaten auch tun» (S. 220). Roland Marxer stellt fest, dass es auf beiden Seiten eines «politischen Reifeprozesses» (S. 227) bedurfte, be- vor eine Normalisierung in den bilateralen Beziehun- gen erreicht werden konnte. Beide Staaten einigten sich schliesslich im Herbst 2009 auf die Aufnahme von diplo- matischen Beziehungen. Es wurde zudem die Liechten- steinisch-Tschechische Historikerkommission ins Leben gerufen, mit dem Ziel, durch Forschungs- und Öffentlich- keitsarbeit zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zu gelangen. Die Frage nach Entschädigungsleistungen für die in der Tschechoslowakei enteigneten Güter ist dadurch zwar nicht definitiv gelöst worden, doch sie ist merklich in den Hintergrund 
gerückt. Erinnerung an die Liechtenstein   in Tschechien heute Vojtěch Drašnar, Karina Hořeni, Kamila Kohoutková und Alžběta Steinerová gehen der Frage nach, wie sich Menschen in Tschechien heute an die einstige liechten- steinische Präsenz in ihrem Land erinnern. Bei den Au- torinnen und dem Autor dieser Untersuchung handelt es sich um Studierende der Soziologe an der Masaryk-Uni- versität in Brünn / Brno. Sie erforschten die Erinnerungs- kultur auf einer wissenschaftlichen, einer medialen und einer alltäglichen Ebene. Die Autorinnen und der Autor untersuchten wissen- schaftliche Arbeiten, aber auch Medienerzeugnisse aller Art, und sie führten kurze Interviews mit Menschen. Be- sonders auf letztere sei hier aufmerksam gemacht. Diese Gespräche mit der Bevölkerung fanden im Dezember 2012 auf Weihnachtsmärkten in Feldsberg und Eisgrub statt. Gefragt wurde etwa: «Wissen Sie, mit welcher Adelsfamilie die Geschichte dieses Schlosses verbunden ist?» oder: «Wissen Sie etwas über die Geschichte dieses Orts?» Bei den Interviews zeigte es sich, dass das Haus Liech- tenstein gerade älteren Bewohnerinnen und Bewohnern durchaus noch ein Begriff ist, auch wenn diese Men- schen meist bereits zu jung waren, um noch Angehö- rige und Mitarbeiter des Hauses Liechtenstein vor deren Vertreibung aus Böhmen und Mähren persönlich ken- 
reform nach 1918 zu 40 Prozent enteignet wurde. Baron Johann Alexander von Königswarter (1890–1960) liess sich 1928 in Kilchberg bei Zürich nieder und wurde 1930 liechtensteinischer Staatsbürger. Für sein Bürgerrecht in Schellenberg bezahlte Königswarter 15 900 Franken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Königswar- ter, aber auch die Angehörigen des Hauses Liechtenstein, zu «Deutschen» erklärt und unter den Beneš-Dekreten vollständig enteignet. Dank finanzieller Unterstützung durch Ludwig Marxer in Vaduz konnte Königswarter, nun verarmt, im Hotel Vaduzer Hof wohnen. Die Ge- meinde Schellenberg spendete 200 Franken für ihn. Be- mühungen um eine Wiedergewinnung der verlorenen Güter blieben 
erfolglos. Tschechien und Liechtenstein –   Der Weg zur gegenseitigen Anerkennung Roland Marxer skizziert in seinem Aufsatz die Bezie- hungen zwischen Liechtenstein und der Tschechoslo- wakei (bis 1992) und der Tschechischen Republik (ab 1993). Erste Bemühungen Liechtensteins um eine Nor- malisierung der Beziehungen zu Prag scheiterten in den 1920er Jahren, erst 1938 anerkannte die Tschechoslowa- kei die Souveränität Liechtensteins. Neue Situationen traten ein 1939 mit der vorübergehenden Auflösung der Tschechoslowakei sowie 1948 mit der kommunistischen Machtergreifung in der wieder errichteten Tschechoslo- wakei. Per Anfang 1993 trennte sich dieser Staat friedlich in die zwei Länder Tschechische Republik und Slowaki- sche Republik. Die Liechtensteinische Botschaft in Bern gelangte am 15. März 1993 mit einer Note an die Tschechische Bot- schaft in Bern, in der Absicht, eine gegenseitige Anerken- nung zu bewirken, aufgrund welcher man «in Verhand- lungen über alle damit zusammenhängenden und noch offenen Fragen zwischen beiden Staaten» treten solle. Die «offene Fragen» beträfen die nicht entschädigten Enteignungen von Grundbesitz, welche liechtensteini- sche Staatsangehörige nach 1945 in der heutigen Tsche- chischen Republik erlitten hätten. Fürst Hans-Adam II. erklärte indes nach einem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Václav Havel 1994, ihm gehe es nicht primär um die Rückgabe der enteigneten Besitzungen, sondern «vor allem darum, dass die liechtensteinischen Bürger
	        

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