Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

94Kuratli Hüeblin Jakob: Das Jahrzeitbuch von 
Eschen 
Um die versprochenen jährlichen Leistungen an den heiligen Martin, den Pfarrer oder den Mesmer erbrin- gen zu können, wurde jeweils eine Liegenschaft oder ein Grundstück mit einem Geld- oder Naturalzins be- legt. Vor allem in den von Pfarrer Kaspar Ammann aus dem alten Jahrzeitbuch übernommenen Stiftungen fin- den sich bisweilen noch Naturalabgaben, insbesondere Weizen. Die neueren Stiftungen sahen dann in der Regel aber Geldzinsen vor. Unter dem 16. Februar finden wir im Eschner Jahrzeitbuch den folgenden 
Eintrag: «Item Katherina Mùsnerin het gelon iiij dn. an ir iarzitt aim lùtpriester ab des Kolben hoffstatt, stosset an die straus vnd an Deges bungarten.»108 Dieser kurze Eintrag enthält sämtliche Informationen, die für die Errichtung einer Jahrzeitstiftung nötig waren. Katharina Müssner gibt zunächst den Stiftungszweck bekannt: Jedes Jahr um den 16. Januar sollte der Pfarrer von Eschen für sie eine Seelmesse lesen. Sodann legte sie die Entschädigung fest, die der jeweilige Pfarrer für seine Dienstleistung erhalten sollte, nämlich vier Pfennig. Be- zahlt wurde dieser Zins aus den Erträgen der «Kolben Hoffstatt» deren geographische Lage noch weiter präzi- siert wird. Zur Sicherung ihres Jahrzeitgedächtnisses be- legte Katharina Müssner also die «Kolben Hofstatt» mit einer Grundlast, die den jeweiligen Pfarrer von Eschen berechtigte, vom Eigentümer dieses Grundstücks jedes Jahr vier Pfennig zu verlangen. Ob Katharina Müssner bestehende Eigentumsrechte an der «Kolben Hofstatt» hatte oder ob sie sich eigens für ihre Stiftung einkaufte, geht aus dem Eintrag nicht hervor; jedenfalls lastete der jährliche Zins für ihre Jahr- zeit von nun auf diesem Grundstück. Wenn es verkauft wurde, musste der Käufer auch die auf dem Gut lastende Abgabe übernehmen. Ewiges Andenken erheischte ewi- gen Zins. Abgelöst werden konnte dieser nur, wenn er andernorts wieder angelegt 
wurde. «Ist durch Jos Orin abgelöst vnnd wider angelegt worden.»109 So ergänzte beispielsweise in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Schreiber eine Stiftung, die Pfarrer Am- mann hundert Jahre zuvor in das Jahrzeitbuch eingetra- gen hatte. Ablösungen finden sich im Eschner Jahrzeit- buch insbesondere dort, wo die Zinsen gemäss Stiftungs- eintrag in Naturalien zu entrichten waren. Sie wurden in Geldzinsen umgewandelt.110 
tern achtete man das Vierte Gebot100 und erwies ihnen die von der Kirche geforderten Liebesdienste. Die Be- rücksichtigung der Kinder mag diese zusätzlich für das durch die Stiftung geschmälerte Erbe entschädigt haben. Jedenfalls hatte die Familie mit der Stiftung einer kollek- tiven Jahrzeit die Möglichkeit, sich an einem Tag im Jahr im Gedenken an alle verstorbenen Angehörigen zu ver- sammeln. Jahrzeitfeiern stärkten das Familienbewusst- sein, nicht nur gegen innen, sondern auch gegen aussen, gegenüber der Gemeinde. Feierliche Jahrzeiten dienten bisweilen auch der Selbstdarstellung von Familien.101 Zum 23. April fand in Eschen eine Jahrzeit für Jörg Wagner und seine Frau Anna, ihre Tochter, ihre Schwe- stern und Brüder sowie überhaupt für alle Verstorbenen aus diesem Geschlecht statt.102 
Hug Knabenknecht und seine Frau Anna Werner schlossen 
aller jrer vorderenn sel- genn in ihre Stiftung ein.103 Und auch die Schwester von Hug, Anna Knabenknecht, berücksichtigte in der Jahrzeit, die sie für sich und ihren verstorbenen Ehemann stiftete, zusätzlich auch noch ihre Eltern.104 Falls die verstor- benen Vorfahren dank der Fürsorge ihrer Nachkommen aus dem Fegefeuer erlöst wurden, konnten sie im Him- mel wiederum wirksame Fürbitten für jene einlegen.105 Die Familienbande wirkten so bis weit über den Tod hi- naus. Die zahlreichen Familienstiftungen im Jahrzeitbuch von Eschen sind «der sichtbare Ausdruck eines funktio- nierenden Generationenvertrags auf Gegenseitigkeit für die Erlösung in der ‹anderen Welt›.»106 Eine Familienjahrzeit war nicht teurer als eine indivi- duelle. Der Tarif bemass sich eher nach der Feierlichkeit des Gedächtnisses als nach der Anzahl der bedachten Per- sonen. Jahrtage mit drei Messen waren natürlich höher zu berechnen als solche mit nur einer, am günstigsten war die sonntägliche Verkündigung des Namens von der Kanzel. Doch auch vergleichbare Leistungen wurden in Eschen bisweilen unterschiedlich entschädigt, was sich teilweise auf das Alter der Stiftungen zurückführen lässt. Unter den älteren Eintragungen von Pfarrer Ammann finden sich noch Jahrzeitstiftungen mit einer jährlichen Ausschüttung von vier Pfennig pro Seelmesse, spätere Stiftungen zahl- ten für diese Leistung mindestens einen Schilling (12 Pfen- nig) aus. Zum Vergleich: Ein Maurergeselle verdiente da- mals am Tag etwa das Doppelte.107 Die Eschner Pfarrer – und insbesondere die Aushilfspfarrer, die jeweils nur den ‹Mindestlohn› von einem Schilling erhielten – verdienten an den Jahrzeiten also nicht unverschämt 
viel.Ewiges 
Andenken erheischt ewigen Zins Kapitel_2_Kuratli.indd   9411.06.13   15:45
	        

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