Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

89 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112, 
2013wendete 
der Schreiber auch zur Kennzeichnung jener Kirchen- und Heiligenfeste im Jahreskreis, die in Eschen gefeiert wurden – es sind ungefähr 40! Während das Eschner Jahrzeitbuch pro Seite gewöhn- lich jeweils sieben Kalendertage enthält, so hatte der Schreiber für den fünften November eine ganze Seite reserviert.82 Hier notierte Pfarrer Ammann eine Jahrzeit, die uns einen wichtigen Einblick in die Baugeschichte der Eschner Kirche gewährt. In der Osterzeit des Jahres 1438 sei mit der grundlegenden Erweiterung und Ver- längerung der Kirche und im Jahr darauf mit dem Bau des Chors begonnen worden.83 Da das Geld für dieses grosse Bauvorhaben nicht ausreichte, habe auch Kir- chengut angegriffen werden müssen, 
«daz biderb lùtt dem gůten herren sant Martin hettend durch ir sel hail willen geord- niat vnd geschaffat.»84 Um die Leute, deren Almosen an St. Martin den Kirchbau ermöglicht hatten, nicht zu vergessen, be- stellten die Eschner Pfarreiangehörigen eine allgemeine Jahrzeit auf den Donnerstag zwischen Allerheiligen und St. Martin. Zahlreiche weitere Personen kauften sich zu- sätzlich in diese kollektive Jahrzeit ein und leisteten so ebenfalls einen Beitrag an die Baukosten. Mehr als 80 Männer und Frauen finden sich unter dem 5. November im Eschner Jahrzeitbuch verzeichnet. Ihnen verdankte die Gemeinde eine vergrösserte Kirche. Jedes Jahr sollten die Namen dieser Spender einzeln verkündet und für sie gebetet werden: «Item so man daz iarzitt haut, so sol der Kirchher ze Eschen die selan namlich verkùnden vnd gott fùr sy bitten.» 
dem 13. beziehungsweise 15. eines Monats bilden die Kalenden des folgenden Monats den Ausganspunkt für die Berechnung des jeweiligen Tagesdatums. Der 30. Juli (III kl) ist demnach «drei Tage vor den Kalenden des Au- gust». Nicht erst wir Heutigen empfinden diese Kalender- zählung als kompliziert. Schon im 17. Jahrhundert sah sich ein Eschner Pfarrer veranlasst, dem Jahrzeitbuch die Monatstage auch in der geläufigeren und übersichtliche- ren Zahlenform (1–31) beizufügen. Vor der rubrizierten römischen Tageszählung wurde im Eschner Jahrzeitbuch mit schwarzer Tinte der Sonn- tags- oder Tagesbuchstabe notiert. Jedem Wochentag wurde dabei einer der sieben Buchstaben von A bis G zugeordnet, wobei der erste Januar den Buchstaben A trägt. War der erste Tag im Jahr beispielsweise ein Frei- tag, erhielten alle Freitage des Jahres den Buchstaben A zugeordnet. Als Sonntagsbuchstabe wurde nun jener Buchstabe bezeichnet, der den ersten Sonntag im Jahr markierte. Fing das Jahr mit einem Freitag an, hiess der Sonntagsbuchstabe für das ganze Jahr C. Die Jahrzeitmes- sen, die auf den Buchstaben C fielen, mussten in diesem Jahr verschoben werden, denn an Sonntagen wurden keine Jahrzeiten gefeiert.77 
Die Sonn- und Feiertagsmes- sen wurden für alle Gläubigen der Gemeinde zelebriert und nicht für einzelne Verstorbene. Neben dem römischen und dem ‹modernen› Ka- lender enthält das Jahrzeitbuch von Eschen auch den christlichen Kalender nach Kirchenfesten (Weihnachten, Epiphanie etc.) und Tagesheiligen. Zum 30. Juli beispiels- weise nennt das Jahrzeitbuch St. Abdon und Sennen (Abdon et Sennes), zwei Persische Märtyrer (gestorben um 250), als Tagesheilige, am 1. August das Fest St. Peter in Ketten 
(Ad vincula S. Petri). Die Erstellung des Kalenders für das Jahrzeitbuch hatte wohl Pfarrer Kaspar Ammann explizit bei einem Schreiber in Auftrag gegeben.78 
Jedenfalls nahm dieser auf das kirchliche Festjahr der Pfarrei Eschen Rücksicht. Am oberen Rand von fol. 9v–10r des Jahrzeitbuchs wies der Schreiber in roter Schrift auf die Kirchweihe von Eschen hin, die jedes Jahr am Sonntag vor St. Philipp und Jakob (1. Mai) gefeiert wurde.79 Er nannte dabei auch die Altarheiligen im Chor der Eschner Kirche: Maria, Martin, Jakobus der Ältere und Stephan.80 Die Altarweihe selber findet sich – ebenfalls mit roter Tinte – auf den Sonntag vor St. Gallus (16. Oktober) verzeichnet.81 Rote Tinte ver-77 
 Vgl. dazu schon Perret, Anniversaria, S. 67. Dazu im Widerspruch steht allerdings die zum 24. Juli verzeichnete Stiftung, die aus- drücklich erwähnt, dass die Jahrzeit «am 
n�chsten sunnentag nauch sant Iacobs tag» begangen werden solle. LUB I,2, S. 341. 78  Vgl. dazu bereits Perret, Anniversaria, S. 69 f. – LUB I,2, S. 378 f. 79  Eine Abbildung dieser Doppelseite samt Erklärungen bei Gam- per, Gestaltung, S. 268 f. 80  «Nota. Dedicacio ecclesie in Eschen est dominica proxima ante Philippi et Iacobi. Et altare in choro est consecratum in honore virginis Marie et beati Martine episcopi et Iacobi apostoli maioris et sancti Steffani prothomartyris.» LUB I,2, S. 331. 81  «Dedicacio altaris est dominica proxima ante Gally.» LUB I,2, S. 355. 82 Ebenda, S. 358–361. Vgl. die Abb. auf S. 90–91. 83 Vgl. dazu auch Poeschel, Kunstdenkmäler, S. 229 f. 84  Wie schon erwähnt, berücksichtigten in Eschen zahlreiche Stifter den heiligen Martin als Destinatär. Kapitel_2_Kuratli.indd   8911.06.13   15:44
	        

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