Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

80Kuratli Hüeblin Jakob: Das Jahrzeitbuch von 
Eschen 
Garantien fürs Jenseits Ungefähr zur gleichen Zeit, als das Kloster St. Gallen mit einem Teil der Einkünfte aus dem Hof Eschen eine Jahr- zeit für den Probst Burkhart stiftete, legte Papst Innozenz IV. erstmals eine offizielle kirchliche Stellungnahme zur Frage des Fegefeuers vor.41 
In seinem 1254 verfassten Brief 
Sub catholicae professione an den Bischof von Tus- culum legte er mit Hinweis auf Augustinus und Gregor den Grossen fest, welche Seelen im Fegefeuer geläutert werden, nämlich jene, die «ohne Todsünden, jedoch mit verzeihlichen und geringfügigen dahinscheiden».42 Auch die Todsünder konnten ins Fegefeuer gelangen, wenn sie ihre Sünden bereut und die Busse bereits begon- nen hatten, diese zu Lebzeiten allerdings nicht mehr zu Ende führen konnten. Nachdem die Kirchenväter dem ‹reinigenden Feuer› noch keinen verbindlichen Namen gegeben hatten, legte Innozenz IV. dafür ausdrücklich das Wort 
Purgatorium – Fegefeuer – fest. Er unterstrich die Wirksamkeit der Fürbitten und bestätigte, dass das Fegefeuer von endlicher Zeitdauer sei und nur bis zum Jüngsten Tag existiere. Todsünder, die keine Busse gelei- stet hatten, wurden «auf immer von den Gluten der ewi- gen Hölle gepeinigt».43 Die Seelen von getauften Kindern und Erwachsenen, die ohne Sünden verstarben, kamen dagegen direkt nach dem Tod in den Himmel. Im Rahmen des zweiten Konzils von Lyon im Jahr 1274 stand die Frage nach dem Fegefeuer erneut im Raum.44 Dabei wurden unter anderem die Mittel genauer benannt, die den Armen Seelen Nutzen bringen konn- ten: «Messopfer, Gebete, Almosen und andere Werke der Frömmigkeit, die von den Gläubigen entsprechend den Anordnungen der Kirche für andere Gläubige ge- wöhnlich verrichtet werden.»45 Die gleichen Mittel hatte übrigens auch Thomas von Aquin, der auf der Reise ans zweite Konzil von Lyon verstarb, in seiner 
Summa Theo- logiae empfohlen.46 Damit ist der Überbau des Eschner Jahrzeitbuchs skiz- ziert. Natürlich wurden in den knapp 170 Jahren, die bis zu seiner Anlage durch Pfarrer Kaspar Ammann noch verstrichen, zahlreiche weitere Abhandlungen zum Fe- gefeuer verfasst. Sie brachten allerdings nichts wesent- lich Neues mehr, sorgten aber wie die Bilder, in deren Sprache das Fegefeuer nun allmählich übersetzt wurde,47 für dessen wachsende Bekanntheit in der Bevölkerung. Auch viele ‹populäre› Schriften behandelten jetzt das Thema, etwa die 
Legenda aurea des Dominikaners Jaco- bus de Voragine (um 1230–1298). «Die 
Legenda aurea ent- 
Kloster erinnerten sie die Mönche an ihre Pflicht und konnten die korrekte Ausführung des Totengedächt- nisses durch diese überwachen. Im Jahr 1244 bestätigte der St. Galler Abt Walter von Trauchburg eine weitere ‹Eschner› Jahrzeitstiftung in ei- ner ausführlichen Urkunde, die Stoff für einen eigenen Aufsatz hergeben würde.39 In dieser Urkunde wird be- richtet, der Probst Burkhart habe den Hof Eschen, der verpfändet gewesen sei und dem Kloster deshalb keinen Nutzen brachte, mit eigenen Mitteln ausgelöst und wie- der dem Kloster St. Gallen übergeben. Abt und Konvent beschlossen daher – aus Dankbarkeit und «um auch an- dere zu solchen Tugendwerken anzutreiben» – einen Teil des Ertrags aus dem Hof Eschen für das Andenken an Probst Burkhart aufzuwenden. Jedes Jahr an seinem Gedenktag (der auf den 10. Januar angesetzt war)40 sollten zehn Priester für die Seele des Probsts in St. Gallen eine Messe mit Glockengeläut feiern, insgesamt zehn Messen also. Kapitel_2_Kuratli.indd   8011.06.13   15:44
	        

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