Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

66Platz Dorothee: «Bringt klagbahr vor und ahn 
…» 
Schlussbemerkungen Die Verhörtagsprotokolle, auf denen diese Betrachtung basiert, bilden eine reichhaltige Quelle für Historiker, Genealogen und auch Juristen. Sie haben eine heraus- ragende Bedeutung für die Erforschung der Mentalitäts- und Alltagsgeschichte in der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz zu Beginn des 18. Jahrhun- derts. Doch auch viele andere Sparten der Geschichts- schreibung können sich aus den Protokollen an wert- vollen Informationen bedienen. In den Protokollen wird ohne viel Umschweife nur das Notwendigste für die Nachwelt festgehalten: Wer streitet mit wem worüber und wie fielen die Strafen aus. Dabei erschliesst sich der Sachverhalt für die Nachwelt nicht immer klar und deutlich. Mit Blick auf die in den Verhörtagsprotokollen aufgeführten Straftaten und De- likte sticht ins Auge, dass es im gesamten untersuchten Zeitraum keinen einzigen Mord und nur einen einzigen Totschlag gab. Auch die Urteile sind nach heutigem Rechtsverständ- nis nicht immer eindeutig nachvollziehbar, weil es in den Protokollen kaum Urteilsbegründungen mit Berufungen auf Gesetze oder den Landsbrauch gibt. Auffallend ist, dass es bei Strafprozessen kaum Freisprüche gab und in keinem einzigen Fall die Todesstrafe verhängt wurde, obwohl diese bei wiederholtem Diebstahl hätte aus- gesprochen werden können. Körperlichen Züchtigungen gab es, bis auf eine Ausnahme im Falle eines Jugendli- chen, ebenfalls keine. Zu den härtesten der verhängten Strafen zählten Arbeitsdienste. Gerade bei Zivilpro- zessen bleibt der Ausgang häufig offen oder die Urteile lauten auf aussergerichtliche Vergleiche. Die in vielen Fällen verhängten Geldstrafen waren in den seltensten Fällen Entschädigungszahlungen, sondern diese Gelder flossen in die Rentkasse. Bei manchen Prozessen gab es Zeugenvernehmungen. Meistens geschah dies, wenn sich eine der beiden Streitparteien auf Zeugen berief. Be- gutachtungen vor Ort gab es nur in Einzelfällen. Die vorliegende Darstellung zur Erschliessung der Verhörtagsprotokolle kann trotz ihres Umfangs nur einen kleinen Einblick in die vielfältige Lebenswelt um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz geben. Beim Bearbeiten und Auswerten fällt auf, dass na- hezu dieselben Aspekte die Menschen jener Zeit beweg- ten wie nachfolgende Generationen im 21. Jahrhundert – Zank und Streit wird es auch in Zukunft geben, doch 
sich an dem für die Huldigung vorgesehenen Zeitpunkt wegen eines Auslandsstudiums nicht im Land befin- den werde, «erscheinet [er] ... auff das hochfürstl[iche] Schloss Vaduz unterthänigst gehorsambst bittend», der Huldigung fernbleiben zu dürfen. Fürst Anton Florian von und zu Liechtenstein liess dem Gesuchsteller durch das Verhörtagsgremium ausrichten, dass er ihm die Abreiseerlaubnis gewährte.337 
Einkäufe in die Herrschaft Schellenberg erfolgten nicht nur bei Wohnortwechseln von Einzelpersonen,338 sondern häufig als Folge einer Eheschliessung. Johannes Öhri aus Fresch (Nofels) hatte Hans Marxers Tochter aus Schellenberg geheiratet und bat nun darum, sich in die Herrschaft Schellenberg einkaufen zu dürfen. Gegen die Zahlung einer Gebühr von 13 Gulden wurde seinem Anliegen statt gegeben.339 Doch Ehen konnten nur nach vorheriger Erteilung eines Ehedispenses geschlossen werden, welche – natürlich – auch Gebührenzahlungen nach sich zogen.340 Manche Anträge hatten auch zum Ziel, Begnadigun- gen zu erreichen. Johannes Erne, der zusammen mit anderen «jungen Purschen [in] dem Flecken Tryßen nechtlicher weilen zue verschidenen mahlen» Ge- walttätigkeiten wie Steinewerfen verübt hatte und sogar einmal in eine Schiesserei verwickelt gewesen sein soll, verweigerte beim Verhörtag jegliche Aussage und wurde dafür wie seine Mittäter zu einer Haftstrafe verurteilt.341 Beim nächsten Verhörtag trat sein Vater, Franz Erne, auf und bat seinen Sohn zu begnadigen. Tatsächlich wurde diesem Gesuch stattgegeben «mit erlegung 2 fl straff, und 3 tegiger arbeit. [Er ist] des thurms entlassen worden, und mithin seine straff entrichtet.»342 Wollte ein Einwohner einem anderen seinen Wein- garten in Form eines Verkaufs oder Lehnstauschs abtre- ten, konnte er dies nicht einfach in die Tat umsetzen, sondern er musste die obrigkeitliche Erlaubnis hierzu einholen. Dies geschah ebenfalls auf dem Antragsweg und kostete Gebühren, welche sich meistens in klei- nerem Rahmen bewegten.343 
Auch um Kaufverträge zu bestätigen oder zu annullieren, mussten die betreffenden Personen einen Antrag stellen, dem gegen Gebühren stattgegeben werden konnte.344
	        

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