Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

48Platz Dorothee: «Bringt klagbahr vor und ahn 
…» 
18. Jahrhundert Gegenstand bei den Verhörtagen, doch wurden die Prozesse oft ergebnislos vertagt und nicht mehr aufgenommen. Vermutlich versuchte das Verhör- tagsgremium auf Zeit zu spielen und hoffte, dass derar- tige Anklagen mit der Zeit im Sande verliefen. So lassen die Verhörtagsprotokolle beispielsweise offen, ob der Prozess gegen Katharina Hasler, die angeklagt wurde im Bund mit dem Teufel zu stehen, weiterverfolgt wurde oder ob die Anklage fallengelassen wurde.237 Es ist eben- falls nicht überliefert, ob der Bericht von Anna Marxer aus Ruggell Folgen hatte, die bei einem Verhörtag be- hauptete, ihr ehemaliger Dienstherr, Georg Frommelt aus Ruggell, habe «Zigeuner»238 beherbergt und durch sie Schadenzauber anwenden lassen: «... es weren bey ihrem Meister öfters Zigeiner baldt vihl baldt wenig ge- westen und haben vor einiger Zeit die weiber darbey ge- habt, und ein schwein mit sich, und ihres Darfürhaltens Todt gebracht».239 
Das Protokoll beschreibt im Folgenden recht detailliert, wie laut Aussage der Anna Marxer der Schadenzauber vorbereitet und durchgeführt wurde. Auch dieser Prozess bietet genügend Material für eine eigenständige Betrachtung. Etwas anders als der Fall der Anna Marxer gegen Georg Frommelt gestaltete sich der Prozess von Maria Schächle aus Schellenberg, die sich gegen Katharina Marxer wehrte, welche die Klägerin als Hexe beschimpft hatte. Da das Verhörtagsgremium hier offenbar in erster Linie eine typische Frauenzänke- rei vermutete, wurden beide Parteien «bestraft», indem beiden eine Wallfahrt nach «Unser Lieben Frauen Berg» (Rankweil) auferlegt wurde.240 Die Verhörtagsprotokolle berichten immer wieder von Streitereien zwischen Frauen. Auch Margarethe Has- ler und Katharina Straub, die Frau des Johannes Öhri, trugen eine durch Eifersucht hervorgerufene Zänkerei vor Gericht aus. Als Strafe mussten sie mit einer dop- pelten Halsgeige sich einander in die Augen blickend von Haus zu Haus laufen.241 Mit Beleidigungen und Beschimpfungen gingen in vielen Fällen auch leichte Handgreiflichkeiten oder sogar brutale Gewalttätigkeiten einher. Mehr dazu unter Punkt Gewaltdelikte. Immobiliengeschäfte und Grenzstreitigkeiten Beim Bearbeiten der Verhörtagsprotokolle wird schnell deutlich, dass sich die Menschen im frühen 18. Jahrhun- dert häufig um dieselben Dinge stritten wie unsere heu- 
stellen lassen.232 
Die Halsgeige war ein beliebtes Mittel zur Durchführung von Ehrenstrafen. Die Verurteilten waren so dem Spott ihrer Mitmenschen ausgesetzt und sollten für diese eine abschreckende Wirkung haben. Doch nicht nur Frauen mussten sich wegen solcher mo- ralisch verwerflichen Beleidigungen zur Schau stellen lassen. Florin Marxer, der Jost Thöni beleidigt hatte, musste zur Strafe an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor dem Haus des Klägers stehen – ob mit oder ohne Halsgeige, ist nicht überliefert.233 Auch Männer konn- ten mit dem Tragen einer Halsgeige bestraft werden. Laut den Aufzeichnungen in den Verhörtagsprotokollen wurde davon jedoch weder in der Herrschaft Schellen- berg noch in der Grafschaft Vaduz Gebrauch gemacht. Doch nicht immer wurden die hier vorgestellten De- likte mit Geld- oder Ehrenstrafen geahndet. In manchen Fällen reichte offenbar auch eine einfache mündliche Entschuldigung beim Beleidigten aus. Silvanus Marxer, der wegen übler Nachrede über Johannes Ritter und dessen Bruder Urban von selbigem angezeigt wurde, brauchte keine weitere Busse zu tun, als sich beim Kläger zu entschuldigen.234 Wie schon auf den vorhergehenden Seiten beschrieben, erwies sich das Verhörtagsgremium bei der Findung des Strafmasses als ausserordentlich fle- xibel. Augenscheinlich urteilte es nicht immer so objek- tiv wie gewünscht. Als der Geschworene Franz Lampert und Johann Bargetze wegen gegenseitiger Beschimpfung vor Gericht standen, wurde nur Johann Bargetze zu ei- ner Geldstrafe verurteilt, weil er Franz Lampert «ein maultaschen» gegeben hatte – der Geschworene hinge- gen wurde aufgrund seines Amts freigesprochen.235 Obwohl die Hexenverfolgungen der Vergangenheit angehörten, scheint diese Zeit die Bevölkerung nach- haltig geprägt und zu einem gewissen Grad auch sen- sibilisiert zu haben. Zwar gab es auch weiterhin immer wieder Beschimpfungen als Hexe oder die Verbreitung entsprechender Gerüchte, aber die Betroffenen wehrten sich vor Gericht dagegen.236 
Beschimpfungen und Ver- leumdungen dieser Art galten nicht nur als besonders ehrverletzend, sondern auch als gefährlich – die Erinne- rungen an die Hexenverfolgungen waren noch sehr prä- sent und die Betroffenen wehrten sich vehement, weil die Angst vor Verfolgung und Folter noch in den Glie- dern sass. Da es sich bei den Vorwürfen der Hexerei um ein heisses Eisen handelte, war Vorsicht bei der Urteils- findung geboten. Einige solcher Fälle waren im frühen
	        

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