36Platz Dorothee: «Bringt klagbahr vor und ahn
…»
Der in Tisis wohnende Christian Pümpel hatte Katharina, die Tochter von Johannes Kieber geheiratet. Da er wegen Nichtzahlens des Abzugsgeldes für seine Frau angeklagt wurde, ist anzunehmen, dass das Ehepaar in Tisis, also Österreich, lebte. Christian Pümpel musste eine Strafe in Höhe von 14 Gulden bezahlen, wurde aber noch wäh- rend des Prozesses zu zehn Gulden begnadigt.164 Auch Margarethe, eine weitere Tochter von Johannes Kieber, verheiratete sich ins Ausland. Sie musste für ihren Fort- zug ins deutsche Konstanz zwei Gulden und 36 Kreuzer Abzugsgeld zahlen.165 Aus diesem recht geringen Betrag ist zu schliessen, dass Margarethe nicht sehr wohlhabend war. Es war gängige Praxis, zehn Prozent von der trans- ferierten Geldmasse als Abzugsgeld zu erheben.166 Dies belegen zwei weitere Beispiele: Johannes Beck in Schaan hatte von Christian Gassner eine Erbschaft von 40 Gul- den bekommen. Als Abzugsgeld sollte er innerhalb von 14 Tagen vier Gulden bezahlen.167
Der Eindruck erhär- tet sich auch im Falle der Emerita Wagner aus Gamprin, die auf 100 Gulden zehn Gulden Abzugsgeld entrichten musste.168 Weil der Triesenberger Jörg Pfeiffer und seine Frau, Ursula Kessler, offenbar Abzugsgelder auf Vermögen aus Gams und Glarus nicht ordnungsgemäss gezahlt hatten, mussten sie ihre Rechnungen darlegen und 15 Reichsta- ler Strafe zahlen. Dieses vergleichsweise hohe Strafmass sollte «andern zue einem Exempel» dienen.169 Dennoch scheint es regelmässig vorgekommen zu sein, dass Un- tertanen «vergassen» ihre Abzugsgelder zu entrichten. Aus diesem Grunde findet sich in einem Verhörtagspro- tokoll eine Erinnerung an die Erhebung von Abzugs- geldern für Erbschaften in der Herrschaft Schellenberg; diese Ermahnung bezog sich auch auf schon Jahre zu- rückliegende Erbschaften.170 Beherbergung von Fremden und Armen Bis zur Frühen Neuzeit waren Bettler fester Bestand- teil des Gesellschaftssystems, deren Versorgung im Rah- men der christlichen Nächstenliebe legitim war. Dies än- derte sich jedoch zu Beginn der Frühen Neuzeit: Bettler galten nun als ordnungsgefährdend. Auch sogenannte Fahrende (Spielleute, Gaukler und andere) galten wegen ihrer Nichtsesshaftigkeit als gefährlich.171 Gemäss Lands- brauch durften die Einheimischen Fremde, insbesondere fahrendes Volk oder Bettler, maximal für einen Tag und eine Nacht beherbergen,172 «aber nit länger, bey straf
bar recht regelmässig frequentiert.159 Dagegen wehrten sich auch die Müller selbst, wie die beiden Rheinmüller, Georg Hasler und Anton Marxer, die ihr Leid während eines Verhörtags klagten.160 Manchmal gaben wohl auch persönliche Konflikte den Ausschlag, weshalb bestimmte Mühlen gemieden wurden. Johannes Quaderer, Thomas Wille, Jakob Kauf- mann und Christoph Frommelt in Schaan standen vor Gericht, weil sie ihr Getreide statt in der Herrschaftlichen Mühle in der räumlich viel weiter entfernt liegenden Mühle in Triesen hatten mahlen lassen. Laut Protokoll wurden sie gefragt, «ob nun dieses auß Neid geg[en]der herrschafft, oder geg[en] dem Müller geschieht, ...». Jo- hannes Quaderer wehrt sich gegen den Mahlzwang und sagt aus, er und seine Mitangeklagten hätten in einer an- deren Mühle mahlen lassen, weil der Müller einige Kun- den, so auch die Angeklagten, übervorteile.161
Für ihre Verfehlungen erhielten die Beklagten eine Abmahnung und wurden aufgefordert, ihre konkreten Beschwerden gegen den herrschaftlichen Müller beim nächsten Ver- hörtag vorzubringen. Entweder gab es zu diesen Vor- würfen keinen weiteren Verhörtag mehr oder das dazu- gehörige Protokoll ist nicht überliefert. Für bestimmte Leistungen seitens der Obrigkeit mussten die Einwohner Gebühren bezahlen, die sich beispielsweise im Grundstücks- und Warenverkehr oder bei Finanzgeschäften am Gegenstandswert orien- tierten. Doch nicht immer waren die Nutzniesser dazu bereit, freiwillig diese Abgaben zu entrichten, sondern sie mussten häufig daran erinnert werden, notfalls sogar durch eine Klage zum Verhörtag zitiert werden. Auch auf Verkäufe waren Gebührenzahlungen fällig. Die Brüder Balthasar und Melchior Foser aus Balzers, die einen geerbten Acker in der Herrschaft Schellenberg weiterverkauft hatten, wurden an einem Verhörtag zur Zahlung der ausstehenden fünf Gulden Gebühren auf- gefordert.162 Verweigerung von Abzugsgeld Abzugsgeld, auch Abschoss genannt, war eine Art Nebensteuern, die in drei Fällen erhoben wurde: Erstens wenn ein Untertan den Wohnort ins Ausland verlegte, zweitens wenn ein Untertan seinen im Ausland leben- den Kindern Geld oder materielle Güter zukommen liess oder drittens wenn eine Erbschaft ins Ausland transfe- riert wurde.163