20Platz Dorothee: «Bringt klagbahr vor und ahn
…»
Titelseite der Polizeiordnung von
1732.
Geschworener bei den Verhörtagen zugegen.58 Im Sep- tember 1716 wurde Landammann Hieronymus Tschetter durch seinen Kollegen, Landammann Anton Banzer, ab- gelöst.59 Hieronymus Tschetter trat erst wieder bei zwei Sitzungen im Juni und im Juli 1718 als Landammann in Erscheinung.60 Bei allen Verhörtagen waren laut Protokollen aus- schliesslich Angehörige des Gerichtssprengels anwe- send. Aber am 21. August 1710 besuchte Ferdinand An- ton Dilger, Obervogt zu Wurmlingen,61 einen Verhörtag im Rennhof.62 Bei den verhandelten Gegenständen lässt sich jedoch kein Bezug zur Obervogtei Wurmlingen er- kennen. Auch die vorgetragenen Streitfälle weisen keine aussergewöhnlichen Besonderheiten auf, welche die Teilnahme des Obervogts veranlasst haben
könnten.Rechtliche
Grundlagen Gesetzliche Grundlagen für die Rechtsprechung waren neben Urbaren, der Waldordnung, der Zoll- und Rod- ordnung der Landsbrauch63 und die Constitutio Crimi- nalis Carolina von 1532, besser bekannt als die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. Letztere gilt heute als das erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch. Im zweiten Teil enthält der Landsbrauch eine Polizeiord- nung, welche 1732 mit der Polizei- und Landsordnung des Reichsfürstentums Liechtenstein64
und durch die 1772 erlassene Gerichtsordnung mit Bestimmungen zur Erstellung von Testamenten und Verträgen65 eine Mo- dernisierung erfuhr. Die Einleitung zur letztgenannten Gerichtsordnung gibt einen Eindruck, wie es bei den Prozessen
zuging: «Wir haben uns mit mehrerem vortragen lassen, was für eine schlechte rechtszucht und ordnung in vortrag der strittigen sa- chen bey unseren oberamtlichen verhören von euch beobachtet werden, da alles mehr einem tumultuarischen gezäncke als einer rechtlichen handlung ähnlich ist und partheyen ein ander unter denen ärgerlichsten beschimpfungen mit solchen geschrey in die reden fallen, dass nicht nur der einer zu gericht sitzenden obrig- keit schuldige respect andurch gäntzlichen bey seiten gesetzet wird, sondern auch das oberamt zu mehrmahlen nicht einmahl, was die partheyen vortragen wollen oder in was eigentlich ihr rechtliches gesuch bestehe? wissen, viel weniger also mit bestand und sicherheit einige urtheill und bescheid abfassen kann.»66 Im Landsbrauch finden sich die zu bestrafenden Verge- hen, aber nur in wenigen Fällen auch das empfohlene Strafmass. Während der Bearbeitung der Verhörtagspro- tokolle entstand der Eindruck, dass sich die Strafen an den individuellen Lebenssituationen der Beklagten ori- entierten und in einigen Fällen auch nach Sympathien verhängt wurden. So konnten Urteile für ein und densel- ben Straftatbestand äusserst unterschiedlich ausfallen.67 Meistens wurden Vergehen mit Strafzahlungen gebüsst. Statt Geldstrafen konnten in einigen Fällen auch Eh- renstrafen verhängt werden, wie das Stehen mit einer Halsgeige vor einer Kirche, oder Arbeitsdienste. Bei den untersuchten Verhörtagsprotokollen zwischen 1692 und 1718 sind jedoch keine Körperstrafen oder sogar Folter- oder Todesstrafen zu finden. Einige Jahre nach dem hier vorgestellten Zeitraum wurde 1749 durch ein Reskript die gesetzliche Grundlage geschaffen, dass im Falle von