Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

190Rezensionen 
in Wien und anderswo Paläste gebaut und ein künstlich geschaffenes ‹souveränes› Fürstentum aufgebaut, das heutzutage ein Refugium für alle bietet, die vor einer Besteuerung flüchten. Erst der Sieg der Volksdemokratie hat die Gelderpressung der Nachkommen des blutigen Betrügers Karl von Liechtenstein beendet.» (S. 
180) Das Bild der Liechtenstein in tschechischen Lehrmitteln Blažena Gracová erforschte, wie tschechische Geschichts- lehrmittel das Haus Liechtenstein darstellen. Die Autorin untersuchte dabei einerseits Lehrbücher, die – mit Fokus auch auf die tschechische Geschichte – in Gymnasien ver- wendet werden, andererseits aber auch eher allgemeine geschichtliche Darstellungen in Lehrbüchern für Mittel- schulen. Genauere Angaben zur Herkunft des Hauses Liechtenstein fanden sich lediglich in einem Lehrbuch. Mehrfach wird hingegen die Rolle der Liechtenstein im Kontext mit der Gegenreformation hervorgehoben. So erläutert etwa der tschechische Historiker Josef 
Pekař in seinem Lehrmittel, dass «in Böhmen der katholische Adel im Geiste des keine Toleranz duldenden Pro- gramms der Gegenreformation handelte» und dass nach dem Aussterben führender Adelsgeschlechter deren Rei- hen «eifrig konvertierte Protestanten füllten, beispiels- weise Wilhelm Slawata sowie der reiche mährische Ade- lige Karl von Liechtenstein» (S. 186). Andere Lehrmittel wiederum erwähnen Karl von Liechtenstein im Zusammenhang mit den Hinrichtungen auf dem Altstädter Ring in Prag und mit der Konfiskation der Güter der Aufständischen. Auf die Tätigkeit Karls als Statthalter Böhmens werde, so Blažena Gracová, in der Regel jedoch nicht differenziert eingegangen. Die Rolle Karls von Liechtenstein sei jedoch nicht nur während der kommunistischen Herrschaft (1945–1989), sondern auch nach der Samtenen Revolution von 1989 kritisch beurteilt worden. Die Autorin erwähnt in die- sem Kontext das derzeit aktuellste, an den Mittelschulen verwendete Lehrbuch. Dieses weise darauf hin, dass Karl von Liechtenstein aufgrund seines Anteils bei der Be- strafung der Aufständischen den Beinamen «der Blutige» verdient habe (S. 191). Blažena Gracová resümiert, dass in tschechischen Lehrmitteln fast ausschliesslich Karl von Liechtenstein 
Kunstfachleute bezeichneten im späten 18. Jahrhundert die dortige Sammlung als eine der grössten und wert- vollsten Gemäldegalerien von Mähren, mit Bildern «von verschiedenen vornehmen meistens niederländischen Malern» (S. 151). Das Haus Liechtenstein verkaufte indes diese Sammlung im Jahr 1801 aus bislang nicht geklärten Gründen. 
Lubomir Slaviček verfolgt in seinem Aufsatz das weitere Schicksal dieser Gemäldesammlung, die ab 1804 durch weitere Verkäufe und Versteigerungen auf- gestückelt 
wurde. Das Bild der Liechtenstein in der tschechischen Geschichtsschreibung Die letzten vier Beiträge im vorliegenden Band sind un- ter die Überschrift «Bilder und Stereotypen» gestellt. Da- bei geht es um verschiedene Blickwinkel und Ansichten, aber auch um Urteile und Vorurteile. Besonders bei vor- gefassten Meinungen und Urteilen zeigt es sich, dass ein- geübte Haltungen und Standpunke – auch wenn sie zum Teil falsch sind – nur schwer zu korrigieren sind. Petr Eibl untersuchte das «Bild der Liechtenstein in der tschechischen Historiographie». Dabei kam er zum Schluss, dass die Liechtenstein eines der «eher negativ wahrgenommenen Adelsgeschlechter» seien (S. 173). In tschechischen Geschichtsbüchern werde zudem die his- torische Bedeutung des Hauses Liechtenstein weitge- hend ignoriert. Vom mährischen Markgrafen 
Přemysl Ottokar im Jahr 1249 mit Nikolsburg beschenkt, spielte das Haus Liechtenstein eine aktive Rolle bei der An- siedlung von deutschsprachigen Menschen in Böhmen und Mähren. Die Liechtenstein galten daher als deutsch- und später dann auch als habsburg-freundlich. Deshalb wurde das Haus Liechtenstein im 19. Jahrhundert von tschechischen Nationalisten als Gegner betrachtet. Speziell im Zusammenhang mit dem Münzkonsor- tium und dem Dreissigjährigen Krieg wurden das Haus Liechtenstein als einer der grössten Räuber dargestellt, so noch im 20. Jahrhundert vom renommierten Prager Historiker 
Josef Polišenský (1915–2001). Dieser schrieb, nicht ganz frei von Ideologie: «... Den Nachkommen Liechtensteins wurde es ermöglicht, Jahrhunderte vom Schweiss und den Schwielen Zehntausender Untertanen auf ausgedehnten Herrschaften Mährens und Schlesiens zu profitieren. Von der Arbeit dieser Untertanen wurden Kapitel_7_Rezensionen.indd   19011.06.13   15:49
	        

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