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hoher Wahrscheinlichkeit eine Erklärung zu bieten ver- mag. ... Wenn schon die genannten – wie alle – Zahlen mit Bezug auf das Münzkonsortium mit großer Vorsicht behandelt werden müssen, [sei] es evident, dass auch indirekte Schlüsse aus den später realisierten Projekten rückblickend gezogen werden dürfen» (S.
107). Das Münzkonsortium und die Geschichte des Fürsten- hauses und des Landes Liechtenstein Des Öfteren kommt Leins auf (vermeintliche) Zu- sammenhänge zwischen dem Münzkonsortium und der liechtensteinischen Landesgeschichte und auf die liech- tensteinische Geschichtsschreibung zu sprechen. Stell- vertretend sei folgender Abschnitt zitiert: «Es handelte sich dabei [bei den Geschäften des Münzkonsortiums] um eine groß angelegte Kapitaltransaktion, die bis heute von der Landesgeschichtsschreibung des Fürstentums Liechtenstein, dessen Aufstieg, Rang und Reichtum eng mit der Frage des Münzkonsortiums verbunden sind, ausgelassen wird. Diese Problematik hat möglicherweise ihren Hintergrund in einer bis dato rein konstitutio- nellen, gleichwohl historisch gewachsenen Monarchie, in welcher der regierende Fürst parlamentarische Gesetze verfassungsgemäß zu kassieren vermag. Gleichzeitig ist das heute flächenmäßig viel kleinere Fürstentum bis kürzlich als Oase für Steuerflüchtlinge aus den Nachbar- ländern bekannt gewesen. Dass schon seine Gründung auf ähnlich uneindeutigen Geschäften – dem Münz- konsortium – beruhte, wäre verständlicherweise nicht gerade der Vermarktung von Finanzdienstleistungen förderlich. ... So wird gerne verschwiegen, woher die wesentliche materielle Grundlage für das Werden und Wachsen des Hauses Liechtenstein kam» (S. 25). Diese und weitere einschlägige Ausführungen sind in verschie- dener Hinsicht problematisch und können nicht unkom- mentiert bleiben. So verschleiert die Bezeichnung als «rein konstitutio- nelle Monarchie» die seit 1921 bestehende verfassungs- mässige Verankerung der Staatsgewalt in Fürst und Volk und die Definition des Landes als «konstitutionelle Erb- monarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage» (Liechtensteinische Verfassung, Artikel 2). Die Regierung ist vom Vertrauen des Fürsten und des Parlaments abhängig, womit es sich um eine Mischform von konstitutioneller und parlamentarischer Monarchie handelt. Der Fürst kann Gesetze nicht «kassieren» (das
satzes «sine ira et studio» wünschen. Denn das Buch weckt auch einige Irritationen, die das Verhältnis von Fakten und Thesen, die Bedeutung des Konsortiums für die weitere Geschichte des Fürstenhauses und des Lan- des Liechtenstein sowie die Bemerkungen zur liechten- steinischen Landesgeschichtsschreibung
betreffen. Fakten und Thesen Dass die Quellenlage schwierig ist und, wie Leins an verschiedenen Stellen betont, eine gesicherte Aufklärung aller Zusammenhänge nicht erlaubt, ist nicht das Ver- schulden des Autors. Irritierend ist, dass manche, auch zentrale Resultate doch wesentlich auf solch unsicherer Quellenlage beruhen und als Thesen eingeführte Sach- verhalte später wie gesicherte Fakten erscheinen, oder aber letztere sich plötzlich als Thesen erweisen. Dies zeigte sich etwa bei den «katastrophalen» sozialen Fol- gen des Konsortiums, insbesondere bei der (vermuteten oder gesicherten?) Hungersnot. Ein anderes Beispiel ist der Vorgang der Anbahnung und des Abschlusses des Konsortiums. Obwohl diese Frage aufgrund der Quellenlage nicht sicher geklärt wer- den könne, wird zunächst festgehalten, dass «die Idee» dazu «aus dem Kreis dieser arkanen Gruppe von Auf- steigern kam» (der adeligen Hofpartei); kurz darauf ist zu lesen, es sei «unklar, ob Kaiser und Hofkammer das Projekt den genannten Adligen antrugen oder aber, ob – und dies scheint viel wahrscheinlicher und einleuch- tender – sich die adligen Kriegsfinanciers sozusagen mit einem eigenen Lösungsvorschlag für des Kaisers Geld- problem an die Hofkammer wandten» (S. 59). Dann wird die «These» vertreten, «Liechtenstein sei der Ideengeber gewesen» (S. 60), während in den Schlussbetrachtungen festzustehen scheint, «dass es, ... auf Grundlage der Idee Fürst Karls von Liechtenstein, zum Vertragsabschluss kommen konnte» (S. 159). Unsicherheiten betreffen, wie erwähnt, auch den tat- sächlichen Silberfeingehalt und damit das effektive Aus- mass der Münzmanipulation, damit zusammenhängend die Höhe der Gewinne. Typisch für Leins’ Argumentati- onsweise ist die Begründung, die Gewinne müssten ge- wiss höher gelegen haben, als in de Wittes Rechnungs- buch-Extrakt ausgewiesen, weil die Beteiligten in der Folge umfangreiche konfiszierte Güter gekauft hätten: Die «Finanzbasis» dafür sei «so unklar, dass nur die An- nahme, dass das Münzkonsortium dahinter stand, mit Kapitel_7_Rezensionen.indd 18211.06.13 15:49