Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

171 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112, 
2013Im 
Zusammenhang mit der fremdenpolizeilichen Be- handlung von Liechtensteinerinnen, die einen Auslän- der heirateten, kam es im Landtag schon 1956 erneut zu einer «intensiven Diskussion» (S. 64) über die Einbürge- rungspolitik, an deren Ende die Forderung nach einer Neuausrichtung stand. Die Mehrheit des Landtags war damals der Ansicht, dass Liechtenstein dem sogenannten Überfremdungsproblem nur Herr werden könne, wenn für schon lange im Land ansässige Ausländer – mit vor- zugsweise verwandtschaftlichem Bezug – die Einbürge- rungsbedingungen erleichtert würden. Die Bürgerrechtsrevision von 1960 führte dann wohl für liechtensteinische Frauen schon längst überfällige Be- stimmungen zu deren Schutz vor Staatenlosigkeit ein, bürgerrechtliche Erleichterungen für Ausländer blieben jedoch aussen vor. Zu hoch war Veronika Marxer zu- folge nach wie vor der Respekt vor der Gemeindeauto- nomie, die mit der Einführung von erleichterten Einbür- gerungsmöglichkeiten in Frage gestellt worden wäre. Ein Postulat des VU-Landtagsabgeordneten Herbert Kindle gab 1971 schliesslich den Anstoss für eine ganze Reihe von Änderungen in der Einbürgerungsgesetz- gebung. Bevor seine Forderung nach einer verstärkten Einbürgerung von Alteingesessenen aber verwirklicht werden konnte – im Jahr 2000 war es soweit – mussten zuerst andere offene Fragen im liechtensteinischen Bür- gerrecht beseitigt werden, allen voran die bürgerrecht- liche Ungleichstellung der liechtensteinischen Frauen. Mit der Verwirklichung des Postulats «Liechtensteinerin bleiben» 1974, der Einführung einer Karenzfrist zur Er- langung des liechtensteinischen Bürgerrechts für einhei- ratende Frauen 1984, der Annahme der Gesetzesvorlage zur erleichterten Einbürgerung «ausländischer Kinder liechtensteinischer Mütter» 1986 und der schlussendlich eingeführten kompletten Gleichstellung von Mann und Frau im Bürgerrecht 1996 und der Lösung des sogenann- ten Auswärtigen-Problems wurde der Weg frei, auch über eine staatsbürgerrechtliche Integration derjenigen Ausländer nachzudenken, die keinen verwandtschaft- lichen Bezug zu Liechtenstein hatten. Der im Jahr 2000 eingeführte Rechtsanspruch auf eine erleichterte Einbürgerung für sogenannte alteingesessene Ausländer nach Vollendung einer 30-jährigen Wohnsitz- frist stellte somit laut Veronika Marxer den Schlusspunkt einer Entwicklung dar, die bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Anfang genommen hatte. 
rung» «in dieser systematischen Form und über eine so lange Zeitspanne» (S. 203) ein liechtensteinisches Phäno- men sei, das einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftli- chen Stabilisierung Liechtensteins darstellte. Insgesamt 594 Personen wurden über diesen Weg zwischen 1920 und 1955 in Liechtenstein eingebürgert. In der dritten Fallstudie beschreibt 
Veronika Marxer den langsamen Übergang von der sogenannten Finanzein- bürgerung hin zu vermehrt integrativen Ansätzen in der liechtensteinischen Einbürgerungspolitik. Drei Faktoren waren ihrer Untersuchung zufolge massgebend für die Entwicklung der liechtensteinischen Einbürgerungspoli- tik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das neue Sozialhilfegesetz von 1967 befreite die Gemeinden von ihren Pflichten für ihre in Not geratenen Gemeindebür- ger aufzukommen und bot damit die Grundlage, die auf Gemeindeebene vorhandene restriktive Einbürgerungs- praxis aufzubrechen. Gleichzeitig fand in den Diskussi- onen rund um die liechtensteinische Einbürgerungspo- litik eine Hinwendung zu Konzepten wie der «Assimi- lation» und «Integration» statt, die eine Anpassung der Einbürgerungswilligen an die Mentalität der liechten- steinischen Aufnahmegesellschaft forderten und, wie Veronika Marxer feststellt, unter der Formel «liechten- steinisch denken und fühlen» (S. 19) zusammengefasst wurden. Als dritter Faktor schliesslich war die rechtliche Gleichstellung der liechtensteinischen Frauen, die ab den 1960er Jahren intensive Diskussionen auslöste, der wohl ausschlaggebendste Auslöser im Hinblick auf Än- derungen in der Bürgerrechtsgesetzgebung. Veronika Marxer zeigt auf, wie schon im Sommer 1948 im Landtag erste grundsätzliche Auseinanderset- zungen über die liechtensteinische Einbürgerungspraxis stattfanden, die aufgrund der damals noch hohen Ein- bürgerungstaxen alle jene Ausländer benachteiligte, die schon «seit Generationen im Land» (S. 46) lebten, de- nen aber der finanzielle Hintergrund für eine Einbürge- rung fehlte. Einen Regierungsentwurf zur Abänderung der Bürgerrechtsgesetzgebung aus dem Jahr 1950 um- schreibt Veronika Marxer dann auch als ersten ernst zu nehmenden Versuch, den in Liechtenstein seit Genera- tionen ansässigen Ausländerinnen und Ausländern die Einbürgerung zu ermöglichen. Zur Verwirklichung des Entwurfs kam es nie. Die Bürgerrechtsdebatte kam aber dennoch nicht zum Stillstand. Kapitel_7_Rezensionen.indd   17111.06.13   15:49
	        

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