Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

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gerung auch in Liechtenstein selbst durchaus umstritten und führte im Landtag immer wieder zu eingehenden Diskussionen was dessen Rechtmässigkeit und genaue Ausgestaltung anbelangte. Nichtsdestotrotz blieb diese Bürgerrechtsform in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein probates Mittel, um an Einnahmen zu gelangen und wurde deshalb trotz aller Diskussionen und der zuneh- menden Verschärfung der Modalitäten nie ernsthaft in Frage gestellt. Die Motive, mittels Bürgerrechtskauf die liechten- steinische Staatsbürgerschaft zu erhalten, waren unter- schiedlich und reichten von der Vermögenssicherung über die Beibehaltung des Adelstitels hin zum Kampf um Leben und Tod. Dann nämlich, als ab den 1930er Jah- ren die Anzahl an jüdischen Einbürgerungsbewerbern zunahm, die sich über den liechtensteinischen Pass die Reise nach Übersee erhofften. In der Regel bedeutete die liechtensteinische Staatsbürgerschaft eine Übergangslö- sung; vielfach liessen sich die eben eingebürgerten Per- sonen rasch wieder ausbürgern, nachdem der liechten- steinische Pass ihnen ihre Dienste getan hatte. Die liechtensteinische Einbürgerungspraxis stiess so- wohl in der Schweiz als auch in Deutschland auf wenig Begeisterung. Nicole Schwalbach kann dabei das ambi- valente Verhalten der Schweiz eindrücklich aufzeigen. Wohl forderte die Schweiz ab 1938 das Mitspracherecht, wenn es um liechtensteinische Finanzeinbürgerungen ging, was ihr 1941 mit der Unterzeichnung des Fremden- polizeiabkommens auch zugestanden wurde und was Nicole Schwalbach als «Beschneidung der liechtenstei- nischen Souveränität» (S. 141) bezeichnet. Gleichzeitig aber behielt die Schweiz es sich vor, die für sie (steuer- lich) interessanten Einbürgerungsfälle an Liechtenstein weiterzuleiten. In der Schweiz selbst wäre eine Einbür- gerung dieser Fälle aufgrund der geltenden Gesetze nicht möglich gewesen. Mit Liechtenstein konnte sie sich allerdings ein Hintertürchen offen halten. Die Praxis der «klassischen Finanzeinbürgerung» fand mit dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Fall Nottebohm im Jahr 1955 ein Ende. Oder wie Ni- cole Schwalbach es formuliert: «Der Gerichtshof sprach dem durch Finanzeinbürgerung erworbenen Staatsbür- gerrecht seine völkerrechtliche Anerkennung ab, was faktisch das Ende der klassischen Finanzeinbürgerung bedeutete» (S. 168). Nicole Schwalbach hält in ihrem Fa- zit fest, dass die Praxis der «klassischen Finanzeinbürge- 
stehenden Frauen, die ein Einbürgerungsgesuch stellten, explizit zur Sprache kommt und nicht in der ansonsten männerdominierten Geschichte des 19. Jahrhunderts un- tergeht. Das Thema Finanzeinbürgerung der zweiten Fallstudie, das von 
Nicole Schwalbach bearbeitet wurde, ist dasjenige Thema der vierbändigen Reihe, das in der liechtenstei- nischen Geschichtsforschung unter diversen Aspekten schon verschiedentlich zur Sprache kam. Was bis an- hin allerdings fehlte, war die durch Nicole Schwalbach vorgenommene grundlegende Aufarbeitung sämtlicher Einbürgerungsgesuche, die unter dem Stichwort «Finan- zeinbürgerung» liefen und die nun mit diesem Band vor- liegende Monographie. Die «klassische Finanzeinbürgerung» der Jahre 1920 bis 1955, die Nicole Schwalbach als Einbürgerung ohne liechtensteinischen Wohnsitz, aber unter der Leistung einer hohen Einkaufssumme und dem gleichzeitig nicht vorhandenen Anspruch auf Bürgernutzen definiert, schliesst zeitlich an die Untersuchung von Klaus Bieder- mann an. Nicole Schwalbach zeichnet nach, wie sich die Finanzeinbürgerungen ab den 1920er Jahren in Liech- tenstein etablierte und welche wirtschaftliche Bedeutung – beispielsweise machten die Finanzeinbürgerungen im Jahr 1937 genau 12,3 Prozent der Landeseinnahmen aus – sie für das Fürstentum erlangten. Dabei erläutert sie jedoch nicht nur die sich im Laufe der Jahre ändernden Regelungen und Vorschriften der Finanzeinbürgerung, wie etwa die stetige Erhöhung der Einbürgerungstaxen, sondern lenkt den Blick auch auf die Personen und Per- sonengruppen, die über das Instrument der Finanzein- bürgerung zu Liechtensteinerinnen und Liechtenstei- nern wurden. Sie beschreibt dabei nicht nur die Motive, die hinter dem Bürgerrechtskauf standen, sondern auch die Folgen, die eine solche Einbürgerung für die Betrof- fenen in späteren Jahren haben konnten. Während bis 1920 ausschliesslich die Gemeinden eine sogenannte Einbürgerungstaxe an die Verleihung des Bürgerrechts knüpften, verlangte ab 1920 zusätzlich auch der Staat eine solche. Diese musste dem Gesetz von 1920 zufolge, «mindestens ein Fünftel der Gemeindetaxe» (S. 30) betragen. Ein Wohnsitzerfordernis gab es nicht und eine solche wurde erst 1934 eingeführt, wenn auch in der Praxis nicht vollzogen. Wie Nicole Schwalbach nachweisen kann, war das Instrument der Finanzeinbür- Kapitel_7_Rezensionen.indd   17011.06.13   15:49
	        

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