147 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112,
2013«Fürstentum»
bot übrigens das «ü» oder «ue» regelmässig ein formales Problem – oder Anlass zu origineller
Form. Deutschösterreich, Kronensturz, Konsortium Österreich-Ungarn verlor den Krieg, die Habsburger Mo- narchie stürzte. Die 1918/19 auch in Liechten stein noch gültig verwendete österreichische Marke – als «Mitläu- fer» bezeichnet – zeigt noch
Kaiser Karl I. – 1916 einge- setzt, 1918 abgesetzt –, quer über sein Bild ist einfach der Schriftzug
«Deutschösterreich» gedrückt, für die Republik Österreich. Parallel wurden in Liechtenstein auch bereits schweizerische Rappen-Mitläufermarken verwendet, so der 1921 in Vaduz gestempelte
Tellenknabe. Solches mar- kiert den Partnerwechsel Liechtensteins von Österreich zur Schweiz. Noch galt die österreichische Krone. Die
Inflation machte Portokorrekturen nötig. Die liechtensteinische 10-Heller-Marke erhielt einfach
«1 Krone» aufgedruckt. Der Kronensturz machte auch in Liechtenstein viele arm – und tilgte andern die Schulden. Die 2-Kronen-Marke von 1920, entworfen vom öster- reichischen Gestalter Luigi Kasimir, zeigt erstmals Liech- tensteiner Landschaften, so den
Benderer Kirchhügel (Abb. 3). 1920 versuchte man in Liechtenstein eine gemischtwirt- schaftliche Lösung der Postwertzeichenvermarktung mit Hilfe eines Markenkonsortiums. Die 5,8-Millionen- Auflage der Kasimir-Marken zeigt, dass spekulativ agiert wurde. Das Konsortium-Experiment scheiterte in einem auch politisch brisanten
Briefmarkenskandal. Rheinnot Im September 1927 kam es zum verheerenden
Rhein- einbruch bei Schaan mit Überflutung der Talebene bis Ruggell und Bangs. Zwei Menschen ertranken, Häuser waren zerstört, Ernten vernichtet, fruchtbare Böden mit Kies bedeckt. Die Regierung gab in der Folge eine Mar- kenserie
«Rheinnot» heraus, gestaltet von
Eugen Verling. Er verwendete
Fotos als Zeichnungsvorlage, wie der Vergleich zeigt (Abb. 4 und 5). Verling, der als
Stickereizeichner und Maler in St. Gallen wirkte, war Vaduzer. Er wurde als er- ster Liechtensteiner zur Markengestaltung herangezo- gen. Der nächste war erst 1945 Josef Seger.
Abb 5: Foto 1927, Vorlage für die Rheinnot-Marke (vgl. S.
146).
Landesgerichts. Prächtiger Jugendstil ist präsent. Giebel und Inschrift tun das Selbstbewusstsein des Donaurei- ches dar: «Austria in orbi», Österreich im Erdkreis. Ös- terreichische Briefmarken waren im Fürstentum gültig. Heute bezeichnet sie unsere Philatelie als
«Vorläufer». Eine solche Briefmarke von 1910, auch bei uns verwen- det, zeigt
Kaiser Franz Josef II., damals 80 Jahre alt. Sie ist von Koloman Moser entworfen – wie kurz darauf die erste
liechtensteinische. Erste Liechtenstein-Briefmarke 1912 von Koloman Moser 1912 war Liechtenstein verwaltungsmässig noch stark an Österreich-Ungarn geknüpft. Aber es manifestierte nun vermehrt Eigenbewusstsein, auch durch eigene Briefmar- ken, die man sich im neuen Postvertrag vorbehielt. Die erste liechtensteinische Briefmarke (Abb. 1) hat 1912 ebenfalls der führende Wiener Jugendstilkünstler
Koloman Moser (Abb. 2) entworfen. Die Umschrift, um das Porträt Fürst Johanns II. und das Wappen gelegt, ist zugleich Orna- ment: «K. K. OESTERR. POST IM FÜRSTENTUM LIECH- TENSTEIN». Im Entwurf Mosers fehlte noch das «IE» bei «LICHTENSTEIN», in der ersten Liechtenstein-Marke sel- ber ist es dann da. Künstlerisch tritt neben dem Motiv – Bild und Wappen – besonders der Rahmen mit Orna- ment und Schrift hervor. Bei der Umsetzung des Wortes Kapitel_6_Geiger.indd 14711.06.13 15:48