Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

130Schremser Jürgen: «I like Gerard» oder «Freddy for 
ever» 
Jugendliche bei der Protest-Kundgebung für die ČSSR, Vaduz 23. August 1968 (oben). Bruch mit der Tradition des Laientheaters: Proben für «Die Demonstration», Schellenberg 1968. Von links: Herbert Hasler, Edy Hassler (auf dem Stuhl), Werner Huber, Xaver Biedermann 
(unten).ner 
«Akademikerschwemme»43 noch keineswegs selbst- verständlich. Durchaus im Trend der Zeit, wenn auch im europä- ischen Massstab historisch unglaublich verzögert, liegt der Beginn des liechtensteinischen «Civil Rights Move- ments», der zunächst vergebliche Kampf um die Einfüh- rung des Frauenstimm- und Wahlrechts. Auch wenn die gleichen politischen Rechte für alle Bürger/innen auf Gemeindeebene erst ab 1976,44 auf Landesebene erst 1984 eingeführt wurden, so fällt auf, dass die Betonung beziehungsweise das Pathos der politischen Horizontale, der Egalité und der Partizipation im Zuge der 1960er auch die liechtensteinische Gesellschaft erfasst: Im 1965 gegründeten liechtensteinischen Jugendparlament, ei- ner öffentlich wahrgenommenen staatsbürgerlichen Trockenübung für Heranwachsende,45 sind Frauen und Männer vertreten. 1967 setzte das Paraparlament einen symbolischen Akt und beschloss die Einführung des Frauenstimmrechts.46 Auch die Ausarbeitung und öffent- liche Diskussion der liechtensteinischen Schulreform be- tonte – in zustimmender Bezugnahme auf Schulreformen und integrative Schultypen in Europa – die «Demokrati- sierung» des Bildungswesens und die Durchsetzung der sozialen und geschlechterbezogenen «Chancengleich- heit».47 
Eine der grössten politischen Kundgebungen in der neueren Geschichte Liechtensteins mit gegen 2‘500 Beteiligten galt einem Bekenntnis zum demokratischen Fortschritt. Liechtensteinische Akademiker- und Jugend- organisationen, von der Regierungspartei FBP und dem Fürstenhaus unterstützt, riefen nach dem Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei (ČSSR) am 21./22. August 1968 zu einer «Protest-Kund- gebung» für die Freiheit der Tschechoslowakei auf.48 Das öffentlich verlesene Protesttelegramm der liechtenstei- nischen Jugendverbände an die sowjetische Botschaft in Bern war – in Anbetracht des liechtensteinischen Anti- kommunismus – bemerkenswert 
abgefasst: Die liechtensteinische Bevölkerung erklärt sich solidarisch mit dem tschechoslowakischen Volk und seinen legalen Führern Dubček und Svoboda, deren freiheitliche und sozialistische Er- rungenschaften [sic!] die Sowjetunion und ihre Mitläufer zerstört und damit den sozialistischen Fortschritt in der ganzen Welt in verbrecherischer Weise verraten haben.49 Während die Rhetorik im politischen Feld eine erheb- liche Kluft zwischen demokratischem Ideal und ernüch- Kapitel_5_Schremser.indd   13011.06.13   15:47
	        

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