111 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112, 201359
Ebenda. 60 LI LA RC 16/5: Kreszentia Schönmetzler, versuchte Abtreibung, 1831; Schreiben des Kriminalsenats des königlich-württembergi- schen Gerichtshofs in Ulm, «Im Namen des Königs», 28. Novem- ber 1831. 61 LI LA RC 16/5: Kreszentia Schönmetzler, versuchte Abtreibung; Korrespondenz zwischen den Oberämtern von Tettnang und Va- duz, 1831–1832. 62 LI LA J 4/A 79/96: Tod von Kreszentia Schönmetzler, 1847. 63 Familienstammbuch Mauren 2004, Bd. 1, S. 122, hier als «Anna Kirschbaumer» bezeichnet. 64 LI LA RC 96/38: Andreas Kirschbaumer, Schub wegen Diebstahls und Unzucht, 1846–1857. 65 Ebenda. Hier erwährt ist die Baumwollspinnfabrik Escher, Ken- nedy & Co. in Feldkirch. 66 Ebenda. 67 Amann 1996, S.
106.
Am 5. Oktober 1831 berichtete das Oberamtsgericht von Tettnang nach Vaduz, Kreszentia Schönmetzler habe ihr Kind «zu frühzeitig aber heimlich gebohren, nachdem sie ihre Schwangerschaft gleichfalls verheimlicht habe». Der Kindsvater sei indes bekannt, es sei ein gewisser Josef Hundertpfund aus Schellenberg.59 Der Kriminalsenat des königlich-württembergischen Gerichtshofs in Ulm verurteilte Kreszentia Schönmetz- ler am 28. November 1831 wegen versuchter Kindsab- treibung zu einer Haftstrafe von einem Jahr, die sie in einem Arbeitshaus in Stuttgart abzubüssen hatte.60 Nach Abbüssung dieser Haftstrafe wurde Kreszentia Schön- metzler nach Liechtenstein zurückgeschickt. Die Be- hörden in Tettnang hielten am 15. Dezember 1832 fest, die Frau habe zur Heimreise die nötige Unterstützung erhalten, ihr Rückweg erfolge über Esslingen, Biberach, Ravensburg und Tettnang.61 15 Jahre später, am 14. No- vember 1847, meldete der Maurer Ortsrichter Eustachius Mündle den Tod von Kreszentia Schönmetzler. Das Schicksal ihres Kindes ist
unbekannt.62 Als Kind in der Fabrik: Andreas Kirschbaumer aus Mauren Anna Maria Kirschbaumer war eine weitere Schwester der erwähnten Barbara, Maria Christina und Agatha Kirschbaumer.63 Sie hielt sich zusammen mit ihren un- ehelichen Kindern im Jahr 1846 in Schaanwald auf, im Haus des Maurer Gemeindebürgers Andreas Öhri. Die- ser zeigte am 3. September 1846 ihren 13-jährigen Sohn Andreas Kirschbaumer an. Der Junge wurde beschuldigt, die vierjährige Tochter des Hausbesitzers, Magdalena Öhri, missbraucht zu haben. Amtliche Befragungen des Andreas Öhri und des Andreas Kirschbaumer sowie ärztliche Untersuchungen der zwei Kinder bewiesen aber die Unschuld des Knaben. Andreas Öhri hatte mög- licherweise wider besseres Wissen diese Anschuldigung gemacht, um die ihm nicht genehmen Mitbewohner los- zuwerden.64 Andreas Kirschbaumer war kurz zuvor in Feldkirch infolge Diebstahls festgenommen und nach Liechtenstein zurückgeschoben worden. Vor dem Oberamt in Vaduz sagte er am 23. September 1846 aus. Dabei nahm er auch Stellung zur erwähnten Anschuldigung des Missbrauchs der Magdalena Öhri: «Meine Aelteren haben mich nie
in die Schule geschickt, oder doch nur geringe Zeit, ich musste immer wieder betteln gehen; kann daher weder schreiben noch lesen, und gegenwärtig befinde ich mich wieder darum vor dem Amt, weil ich mit dem Kinde des Andreas Öhri etwas gehabt haben solle. Ich war nebst vielen andern Kindern und Arbeitern in des Eschers Fa- brik, wo ich bald da, bald dort hin geschickt, geplagt und gebrügelt [sic] worden bin. Dieses entleidete mir und ich lief dann aus der Fabrik fort und strich meist im Hinter- lande mit der Mutter herum und bettelte.»65 Zudem sagte Andreas Kirschbaumer, nicht er, sondern seine Brüder Josef und Anton hätten den ihm zur Last gelegten Obstdiebstahl in Feldkirch begangen. Kleinere Delikte wie Holz-, Feld- oder Obstdiebstähle wurden indes häufig von Angehörigen der Unterschicht be- gangen.66 Als Kind einer ledigen Mutter musste Andreas Kirsch- baumer mit Schikanen und Benachteiligungen leben. Sieglinde Amann äussert sich zum Schicksal solcher Ju- gendlicher, die in den Feldkircher Fabriken arbeiteten, wie folgt: «Die Kinder dieser Mütter, meist schlecht un- tergebracht, verwahrlost oder schon früh zum Betteln angehalten beziehungsweise zur Arbeit in der Fabrik gezwungen, waren auch noch mit dem Stigma der Un- ehelichkeit behaftet.»67 Die Arbeit in der Fabrik war eine der wenigen ver- bliebenen Perspektiven für viele Angehörige der Familie Kirschbaumer. Da sie sich infolge Geldmangels zumeist nicht in die Nutzungsrechte der Gemeinde einkaufen konnten, blieb ihnen keine andere Wahl. Nachkom- men von Anna Maria Kirschbaumer fanden Arbeit in Kapitel_3_Biedermann.indd 11111.06.13 15:45